10.12.2021 | Arbeitsrecht
Die neue Regierung möchte auf die Veränderungen in der Arbeitswelt reagieren. Um dem Wunsch vieler Unternehmen und Arbeitnehmer:innen nach flexiblen Arbeitsmodellen zu entsprechen, soll sowohl das Arbeitszeitrecht geändert als auch die Regelungen zum Home Office und der Mobilarbeit modernisiert werden.
Flexible Arbeitszeit
Am Grundsatz des Acht-Stunden-Tages im Arbeitszeitgesetz will die neue Regierung festhalten. Auf tarifvertraglicher Grundlage soll jedoch ermöglicht werden, dass Arbeitnehmer:innen ihre Arbeitszeit flexibler gestalten können. Weiterhin soll eine begrenzte Möglichkeit geschaffen werden, von den derzeit bestehenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der Tageshöchstarbeitszeit von aktuell zehn Stunden abzuweichen – wenn Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen auf Grund von Tarifverträgen, dies vorsehen. Anhand von sogenannten Experimentierräumen soll hier zunächst eine Erprobung erfolgen.
Darüber hinaus sieht der Koalitionsvertrag vor, dass vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ein möglicher Anpassungsbedarf des Arbeitszeitrechts zu prüfen sei.
Arbeitszeiterfassung kommt?
Der EuGH hatte im Mai 2019 entschieden, dass die Mitgliedstaaten Arbeitgeber:innen dazu verpflichten müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Arbeitszeiterfassung der Arbeitnehmer:innen einzurichten (EuGH v. 14.5.2019, C-55/18). Diese Entscheidung wurde seither viel diskutiert und hat auch deutsche Arbeitsgerichte beschäftigt. So brachte das Arbeitsgericht Emden im Februar 2020 im Rahmen eines Überstundenprozesses die Rechtsprechung des EuGHs zur Anwendung und gab der Klage eines Arbeitnehmers auf Überstundenvergütung statt (v. 20.2.2020, 2 Ca 94/19). Es entschied, dass der Arbeitgeber verpflichtet sei, eine durchgängige Zeiterfassung zu verwenden. Erfülle er diese Verpflichtung nicht, könne er sich nicht darauf berufen, dass vom Arbeitnehmer geltend gemachte Überstunden nicht erbracht worden seien. Die Entscheidung des ArbG Emden wurde jedoch im Mai 2021 vom LAG Niedersachsen aufgehoben mit der Begründung, dass das Urteil des EuGHs keine Aussagekraft für die Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess in Hinblick auf deren Anordnung, Duldung oder Notwendigkeit habe (v. 06.05.2021, 5 Sa 1292/20).
Vertrauensarbeitszeit soll bleiben
Eine grundsätzliche Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit durch Arbeitgeber:innen ist also bislang in Deutschland nicht rechtlich umgesetzt. Dies könnte sich mit der neuen Bundesregierung nun ändern. Flexible Arbeitszeitmodelle wie die Vertrauensarbeitszeit sollen jedoch laut Koalitionsvertrag ausdrücklich weiterhin möglich sein.
Mobile-Arbeit-Gesetz
Auch hinsichtlich des Arbeitsortes verspricht der Koalitionsvertrag Veränderung. Zwar soll es weder ein Recht noch eine Pflicht zum Homeoffice geben. Arbeitnehmer:innen sollen aber einen sogenannten Erörterungsanspruch gegen ihre Arbeitgeber:innen erhalten. Dieser Ansatz schlägt sich bereits im aktuellen Entwurf des Gesetzes zur mobilen Arbeit (Mobile-Arbeit-Gesetz – MAG) nieder. Im Koalitionsvertrag heißt es zum Erörterungsanspruch konkret: „Arbeitgeber können dem Wunsch der Beschäftigten nur dann widersprechen, wenn betriebliche Belange entgegenstehen“. Eine Ablehnung dürfe „nicht sachfremd oder willkürlich“ sein.
Mobile Arbeit im Ausland
Darüber hinaus soll mobile Arbeit nach den Plänen der Koalitionspartner EU-weit unproblematisch möglich sein. Mobilarbeit im Ausland ist aktuell mit nicht unerheblichen Risiken mit Blick auf die Sozialversicherung und das Steuerrecht verbunden. Viele Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen waren aufgrund dessen in den vergangenen Monaten verunsichert. Hier wären klare und einheitliche Regelungen begrüßenswert.
Erklärtes Ziel der Koalitionspartner ist es schließlich, die Arbeit im Home Office rechtlich klar „von der Telearbeit und dem Geltungsbereich der Arbeitsstättenverordnung“ abzugrenzen. Die Arbeitsstättenverordnung gibt klare Regelungen dazu vor, wie ein Arbeitsplatz im Hinblick auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer:innen ausgestaltet zu sein hat. Unklar bleibt, wie die in Aussicht gestellte „Information und Beratung der Beschäftigten sowie deren angemessene Unterstützung durch ihre Arbeitgeber“ aussehen soll.