22.07.2021 | Arbeitsrecht
Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz sieht vor, dass Betriebsräte künftig bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit mitbestimmen können. Dafür wird mit § 87 Abs. 1 Nr. 14 Betriebsverfassungsgesetz („BetrVG“) ein ganz neuer Mitbestimmungstatbestand geschaffen. Wir beantworten die drängendsten Fragen:
Kann der Betriebsrat jetzt mobiles Arbeiten bzw. Homeoffice erzwingen?
Nein, es besteht nach wie vor kein gesetzlicher Anspruch auf mobiles Arbeiten bzw. Homeoffice und ein solcher Anspruch wird auch nicht über den neuen § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG sozusagen durch die „Hintertür“ eingeführt.
Die Gesetzesbegründung stellt explizit klar, dass der Arbeitgeber in der Entscheidung frei ist, ob er mobiles Arbeiten einführt. Es gibt somit bezüglich der Einführung von mobiler Arbeit (hinsichtlich des „Ob“) kein Initiativrecht des Betriebsrats. Der Betriebsrat kann den Arbeitgeber im Ergebnis nicht über § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG „zwingen“, mobile Arbeit bzw. Homeoffice einzuführen.
In welchen Fällen greift das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG ein?
Nach dem neuen § 87 I Nr. 14 BetrVG besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bezüglich der „Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.“ Das Mitbestimmungsrecht greift unabhängig davon ein, ob die Mitarbeitenden regelmäßig oder nur anlassbezogen mobil arbeiten.
Mobiles Arbeiten im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG liegt vor, wenn die Arbeiternehmer/innen die geschuldete Arbeitsleistung unter Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnik außerhalb der eigentlichen Betriebsstätte erbringen. Die Begriffe Informations- und Kommunikationsmittel sind weit auszulegen und umfassen generell die Verwendung von EDV, Telefonen, Laptops, Tablets oder Smartphones etc. – auch das „klassische“ Homeoffice ist mithin umfasst.
Zu beachten ist, dass das Mitbestimmungsrecht nicht eingreift, wenn die Arbeitsleistung bereits aufgrund ihrer Eigenart mobil zu erbringen ist. Der Betriebsrat darf nicht mitbestimmen, wenn beispielsweise ein Monteur die Arbeitsleistung „naturgemäß“ beim Kunden erbringt oder die Arbeit im Speditions- oder Logistikbereich außerhalb der Betriebsstätte stattfindet.
Welche Rechte hat der Betriebsrat aufgrund § 87 Abs. 1 Nr. 14 bzgl. mobiler Arbeit?
Das Mitbestimmungsrecht betrifft nach der Gesetzesbegründung die inhaltliche Ausgestaltung der mobilen Arbeit – mithin das „Wie“.
Beispielsweise sind folgende Aspekte mobiler Arbeit erfasst:
- Zeitlicher Umfang der mobilen Arbeit,
- Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit in Bezug auf mobile Arbeit,
- Ort, von welchem aus mobil gearbeitet werden kann und darf.
- konkreter Anwesenheitspflichten in der Betriebsstätte,
- Erreichbarkeit,
- Umgang mit Arbeitsmitteln der mobilen Arbeit und
- einzuhaltende Sicherheitsaspekte.
Ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Frage, ob der Arbeitgeber die Arbeitsmittel für die mobile Arbeit zur Verfügung stellen muss, besteht nach unserer Auffassung jedoch nicht. Die Gesetzesbegründung enthält jedenfalls keinen Anhaltspunkt, dass diesbezüglich ein Mitbestimmungsrecht eingeräumt werden soll.
Hatte der Betriebsrat nicht bisher schon Mitbestimmungsrechte im Zusammenhang mit mobiler Arbeit?
Bereits nach bisheriger Rechtslage hatte der Betriebsart im Kontext mit mobiler Arbeit verschiedene Mitbestimmungsrechte. So waren bereits bislang Verhaltens- und Sicherheitsvorgaben bei der Nutzung von Telearbeitsplätzen nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Bezüglich der Lage der mobilen Arbeitszeit greift § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, für Fragen des Arbeitsschutzes – soweit am häuslichen Arbeitsplatz relevant – § 87 Abs.1 Nr. 7 BetrVG (ggf. ergänzt durch §§ 89, 90 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG). Auch die Einführung oder Änderung von Informationstechnologien unterlag schon bisher der Mitbestimmung der Betriebsrats nach § 87 I Nr. 6 BetrVG.
Das „neue“ Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG bildet einen Auffangtatbestand für alle Regelungen, mit denen mobile Arbeit gestaltet werden kann und soll noch bestehende Regelungslücken schließen.
Fazit und Ausblick:
Mit Spannung bliebt zu erwarten, wie großzügig die Rechtsprechung das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG auslegen und wie scharf die Trennlinie zwischen dem mitbestimmungsfreien „Ob“ und dem mitbestimmungspflichtigen „Wie“ der mobilen Arbeit gezogen wird.
Je großzügiger das „neue“ Mitbestimmungsrecht bezüglich des zeitlichen Umfangs, der Anwesenheitszeiten im Betrieb, den Arbeitsort etc. ausgestaltet wird, umso mehr gewinnt der Betriebsrat über § 87 I Nr. 14 BetrVG auch „indirekt“ Einfluss auf die grundlegende Entscheidung des Arbeitgebers darüber, ob im Betrieb mobil gearbeitet werden soll. Es ist durchaus zu erwarten, dass sich einige Arbeitgeber gegen die Einfügung von mobiler Arbeit (das „Ob“) entscheiden, um die Mitbestimmung des Betriebsrats bezüglich des „Wie“ zu unterbinden.