07.07.2021 | Arbeitsrecht
Von Claudia Knuth und Luca Maria Borowski (Wissenschaftliche Mitarbeiterin)
Homeoffice bei Betriebsstilllegung
Die Klägerin war bei der Beklagten, einer Bank mit Sitz in Wuppertal, in der Berliner Niederlassung als Vertriebsassistentin beschäftigt. Bei der Beklagten existierte eine „Teleoffice-Richtlinie“. Die Beklagte entschied, den Betrieb in Berlin vollständig stillzulegen, wodurch sämtliche Positionen dort entfielen. Sie kündigte der Klägerin, bot aber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit Arbeitsort in Wuppertal an, was die Klägerin nicht annahm. Sie zog vor das ArbG Berlin, um feststellen zu lassen, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt sei, da die Beklagte nicht berücksichtigt habe, dass eine Weiterbeschäftigung im Homeoffice ein milderes Mittel zur Änderungskündigung darstelle.
Überraschende Entscheidung des ArbG Berlin
Das ArbG Berlin (v. 10.08.2020, 19 Ca 13189/19) stellte in erster Instanz fest, dass die Änderungskündigung unwirksam sei. Denn sie sei aufgrund der Möglichkeit der Beschäftigung im Homeoffice unverhältnismäßig gewesen. Die Beklagte müsse sich bei der Änderung der Arbeitsbedingungen auf das Maß beschränken, dass für die Durchsetzung der unternehmerischen Entscheidung unabdingbar sei. Auch wenn hierauf kein Anspruch bestehe, seien die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Da die Tätigkeit der Klägerin digitalisiert und technische Infrastruktur vorhanden sei und die Teleoffice-Richtlinie zeige, dass häusliches Arbeiten bei der Beklagten nicht unüblich sei, trage ihr Verweis auf ihre unternehmerische Entscheidung nicht. Auch vor dem Hintergrund der pandemiebedingten Verbreitung der Homeoffice-Arbeit sei die Änderungskündigung nicht zeitgemäß und willkürlich.
LAG lehnt Anspruch auf Homeoffice ab
Nachdem die Beklagte dagegen in Berufung ging, erhielt sie vor dem LAG Berlin-Brandenburg (v. 24.03.2021, 4 Sa 1243/20) Recht. Eine Homeoffice-Tätigkeit komme als milderes Mittel zur Änderungskündigung nicht in Betracht. Die Beklagte hatte die unternehmerische Entscheidung getroffen, Service- und Vertriebsarbeiten am Standort Wuppertal zu konzentrieren und für diese Arbeitsplätze eine Tätigkeit vor Ort und keine im Homeoffice vorzusehen. Hierin bestand nicht nur eine Vereinheitlichung von Arbeitsbedingungen, sondern eine geplante Bündelung von Arbeitsort und Tätigkeit in Wuppertal. Über diese unternehmerische Entscheidung konnte sich das Gericht auch nicht hinwegsetzen, da ihm die Überprüfung der Zweckmäßigkeit und Nachvollziehbarkeit der Entscheidung nicht oblag. Der vom Gericht vorzunehmende Missbrauchskontrolle hielt die unternehmerische Entscheidung der Beklagten stand, da diese nicht unvernünftig oder willkürlich war. Die Kündigung war deshalb sozial gerechtfertigt.
Praxistipp
Das erstinstanzliche Gericht überschritt seine Kompetenz, indem es einen Anspruch auf Homeoffice einführte, welchen es aber nach dem Gesetz (noch) gar nicht gibt. Das Berufungsgericht korrigiert zwar die entstandene Rechtsprechung, es zeigt aber auch wie groß zum Teil der Wille ist dem Mitarbeiter eine Anspruch auf Homeoffice einzurichten.
Für die Praxis verbleibt es mithin dabei, dass der Arbeitgeber auch darüber bestimmen kann, ob Mitarbeiter aus dem Homeoffice arbeiten oder nicht, solange es keine gesetzlichen Regelungen zum Homeoffice gibt. Diese unternehmerische Entscheidung ist durch Gerichte nicht überprüfbar. Aber Achtung! Ohne Richtlinie oder Betriebsvereinbarung sollte kein Mitarbeiter im Homeoffice tätig werden.