14.03.2019 | Arbeitsrecht
Sturz auf der Kellertreppe
Die Klägerin war als Sales und Key Account Managerin im Homeoffice beschäftigt. Das Büro lag im Keller des Wohnhauses. Die täglichen Kernarbeitszeiten lagen zwischen 9:00 Uhr und 16:00 Uhr. Am Unfalltag war die Klägerin aus Akquisegründen auf einer Messe, fuhr jedoch aufgrund einer Telefonkonferenz um 16:30 Uhr zu ihrem Homeoffice-Arbeitsplatz zurück. Beim Hinabsteigen der Kellertreppe gegen 16:10 Uhr stürzte diese und verletzte sich den Wirbelsäulenbereich. Beim Sturz hatte die Klägerin eine Tasche mit ihrem Laptop und weiteres Arbeitsmaterial bei sich.
Die Arbeitgeberin lehnte einen Arbeitsunfall ab. Das Betreten der häuslichen Kellertreppe selbst habe nicht unmittelbar zu den Hauptpflichten gehört und sei deshalb bloße Vorbereitungshandlung gewesen. Wege innerhalb des häuslichen Bereichs seien nur versichert, wenn die Situation durch eine Art Rufbereitschaft und die Notwendigkeit, sofort zu handeln, geprägt sei oder der Unfallort auch Betriebszwecken wesentlich diene, mithin für betriebliche Belange ständig und nicht nur gelegentlich genutzt werde. Die Telefonkonferenz um 16.30 Uhr sei weder mit einer Rufbereitschaft vergleichbar noch sei beim Hinabsteigen der Treppe um 16.10 Uhr besondere Eile geboten gewesen.
Einem weiteren Verfahren lag ein ähnlicher Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war Geschäftsführender Gesellschafter in einem Versicherungsmaklerbüro. Die Geschäftsräume der Beklagten befanden sich im ersten Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses; die Serveranlage und das Archiv im Keller. Der Kläger wohnte im fünften Obergeschoss. Auf dem Weg vom Serverraum zu den Geschäftsräumen der Beklagten stürzte er nachts gegen 1:30 Uhr auf der Treppe des gemeinsamen Treppenhauses und zog sich eine Fraktur der linken Hand zu.
Betriebsweg in Ausführung der versicherten Tätigkeit
Das BSG bejahte im ersten Fall einen Arbeitsunfall, als sie beim Hinabsteigen der häuslichen Kellertreppe auf dem Weg zu ihrem Homeoffice auf einer Stufe stürzte (BSG v. 27.11.2018, B 2 U 8/17 R). Ihre Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses stand in einem sachlichen Zusammenhang zu ihrer versicherten Tätigkeit als Sales und Key Account Managerin. Der Versicherungsschutz scheitert vorliegend nicht daran, dass der Unfall sich innerhalb der Wohnung der Klägerin ereignete. Die an der Außentür des Wohnhauses orientierte Grenzziehung für Betriebswege greift dann nicht, wenn sich sowohl die Wohnung des Versicherten als auch seine Arbeitsstätte im selben Haus befinden und wenn der Betriebsweg in Ausführung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt wird.
Hier war nach dem Arbeitsvertrag vereinbarter Arbeitsort die Wohnung der Klägerin. Maßgebend für die Bejahung des Unfallversicherungsschutzes ist dann nicht die objektive Häufigkeit der Nutzung des konkreten Unfallorts innerhalb des Hauses, sondern die durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigte Handlungstendenz der Klägerin, eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit (Telefonkonferenz) ausüben zu wollen.
Mit der zweiten Entscheidung wies das BSG an das Landessozialgericht zurück, da dieses vertieft zu prüfen habe, ob der Kläger die Treppe nachts betreten habe, um ein größeres Softwareupdate zu überwachen oder vielmehr auf dem Weg zu seiner privaten Wohnung war. Hierbei sei auch der Zeitpunkt des Unfalls zu berücksichtigen (BSG v. 27.11.2018, B 2 U 8/17 R).
Handlungstendenz entscheidend
Über das Vorliegen eines Arbeitsunfalls wird zwischen den unmittelbar und mittelbar Beteiligten häufig gestritten, da das Leistungsspektrum der gesetzlichen Unfallversicherung erheblich umfangreicher ist als das der Krankversicherungen.
Eine befürchtete Entgrenzung des Versicherungsschutzes im Rahmen einer Homeoffice-Tätigkeit findet nicht statt, wenn entscheidend auf die objektivierte Handlungstendenz abgestellt wird. Denn zum Zwecke dieser Objektivierung können ggf. auch der Unfallzeitpunkt, der konkrete Ort des Unfallgeschehens und auch dessen objektive Zweckbestimmung als Indiz Berücksichtigung finden, die ihrerseits wieder Zweifel an der vom Versicherten beschriebenen Handlungstendenz begründen können. Nach wie vor sind hier stets die gesamten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, weil im häuslichen Bereich die Beweisführung hinsichtlich der Handlungstendenz und die entsprechende Überprüfung klägerseitiger Angaben besonders schwierig sein kann.