31.08.2017 | Compliance & Internal Investigations
In seinem Urteil vom 09.05.2017 (1 StR 265/16) hat der Bundesgerichtshof erstmals Hinweise zu der bislang lebhaft diskutierten Frage gegeben, inwieweit ein Compliance-Management-System positiv auf die Bemessung von Bußgeldern gegen das Unternehmen Einfluss haben kann.
Gemäß § 30 OWiG können gegen ein Unternehmen Bußgelder verhängt werden, wenn beispielsweise Organe, vertretungsberechtigte Gesellschafter, Generalbevollmächtigte oder Prokuristen sowie sonstige Leiter des Unternehmens eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begehen, durch die Pflichten, die das Unternehmen treffen, verletzt worden sind oder wenn durch die Straftat oder Ordnungswidrigkeit das Unternehmen bereichert worden ist oder werden sollte. Die Geldbußen können empfindliche Höhen erreichen. So ist gem. § 30 Abs. 2 OWiG vorgesehen, dass im Falle einer vorsätzlichen Straftat eine Geldbuße bis zu 10.000.000,00 €, im Falle einer fahrlässigen Straftat eine Geldbuße von bis zu 5.000.000,00 € verhängt werden kann.
In dem diesem Urteil zugrunde liegenden Fall ging es um Bestechungsdelikte sowie daraus resultierende Steuerhinterziehungsdelikte. Der Bundesgerichtshof betont, dass bei der Bemessung der Geldbuße zum einen der wirtschaftliche Vorteil, der aus den jeweiligen Rechtsbrüchen gezogen worden ist, berücksichtigt werden soll. Gemäß § 30 Abs. 3 OWiG soll die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil auch übersteigen. Für die Praxis besonders bedeutsam sind indes die sich anschließenden Hinweise des Bundesgerichtshofs (BGH 1 StR 265/16, Rn. 118):
„Für die Bemessung der Geldbuße ist zudem von Bedeutung, inwieweit die Nebenbeteiligte ihrer Pflicht, Rechtsverletzungen aus der Sphäre des Unternehmens zu unterbinden, genügt und ein effizientes Compliance-Management installiert hat, das auf die Vermeidung von Rechtsverstößen ausgelegt sein muss […]. Dabei kann auch eine Rolle spielen, ob die Nebenbeteiligte in der Folge dieses Verfahrens entsprechende Regelungen optimiert und ihre betriebsinternen Abläufe so gestaltet hat, dass vergleichbare Normverletzungen künftig jedenfalls deutlich erschwert werden“.
Der Bundesgerichtshof bringt mit der vorstehenden Passage verschiedene wichtige Gesichtspunkte zum Ausdruck:
- Das Vorhandensein eines Compliance-Management-Systems kann und wird sich in der Regel bußgeldmindernd auswirken.
- Dabei kommt es maßgeblich darauf an, inwieweit die Compliance-Verantwortlichen für das Unternehmen zielgerichtete Maßnahmen ergriffen haben, Rechtsverstöße zu vermeiden.
- Auch nach Aufdeckung eines Verstoßes kann unmittelbares Tätigwerden im Sinne einer Aufklärung etwaiger Ursachen für das Nichteingreifen des Compliance-Management-Systems sowie die Verbesserung dieses Systems dazu führen, dass eine Bußgeldminderung noch denkbar ist. Anzumerken ist dabei, dass dies nur dann in Frage kommen dürfte, wenn die Bemühungen ernstlich sind sowie in den Fällen, in denen nicht gleichartige Verstöße bereits in der Vergangenheit mehrfach aufgetreten sind (es wird sich in diesen Fällen schwerlich argumentieren lassen, dass man bereits an der Vergangenheit jeweils ernsthafte Maßnahmen ergriffen hat).
- Der Bundesgerichtshof bringt mit dem letzten Satz gleichzeitig zum Ausdruck, dass auch den Gerichten bewusst sein muss, dass auch das beste Compliance-Management-System niemals vollständig vor der Begehung von Rechtsbrüchen schützen kann; nach den Forderungen des Bundesgerichtshofs kommt es darauf an, dass „vergleichbare Normverletzungen zukünftig jedenfalls deutlich erschwert werden“.
Die Entscheidung ist aus den vorgenannten Gründen zu begrüßen und äußerst hilfreich. In anderen Rechtsordnungen ist bereits gesetzlich (vgl. etwa die Regelungen im UK Bribery Act 2010) vorgesehen, dass die Einrichtung eines angemessenen Compliance-Management-Systems exkulpierende Wirkung haben kann. Im deutschen Recht ist diese Wirkung bislang aus dem Vergaberecht und der dort vorgesehenen Selbstreinigung bekannt.
Für Geschäftsführer, Vorstände und sonstige Geschäftsleiter sowie Compliance-Verantwortliche ist das vorstehende Urteil in hohem Maße relevant, weil es die grundsätzlich bestehende Compliance-Verantwortung und die damit einhergehende Pflicht, Compliance-Systeme stets auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen und kontinuierlich zu verbessern voraussetzt und damit gewissermaßen unterstreicht. Aus dem vorstehenden Urteil darf mit Sicherheit nicht der Schluss gezogen werden, man könne Compliance zunächst „hintanstellen“, um im Falle der Einleitung eines behördlichen Verfahrens die Folgen sodann „abzumildern“, indem ein Compliance-Management-System erstmals installiert wird. Die Forderungen der Rechtsprechung, folgend aus Legalitätspflicht und der daraus resultierenden Compliance-Verantwortung der Geschäftsleiter und Compliance-Verantwortlichen geben diesen Freiraum nicht her. Sofern allerdings ein angemessen bestehendes und kontinuierlich überwachtes Compliance-Management-System einmal versagt, ist das vorstehende Urteil ein erfreuliches Signal und gibt gleichzeitig vor, dass nach Verstößen eine intensive Befassung mit dem bestehenden System erfolgen sollte, um das System in der Folge wiederum bedarfsentsprechend zu verbessern.