02.10.2024 | Arbeitsrecht
Ständige Erreichbarkeit in der Arbeitswelt ist allgegenwärtig. Vorteilhaft ist sie, weil sie Flexibilität bei der Erbringung der Arbeitsleistung ermöglicht. Oftmals wird sie aber auch als Beeinträchtigung der Freizeit empfunden und kann - so belegen Studien[1] - zu gesundheitlichen Beschwerden führen.
Recht auf Nichterreichbarkeit in Deutschland?
In Australien ist vor kurzem ein neues „Right to disconnect“ (= Recht auf Abschalten) im sog. „Fair Work Act“ aufgenommen worden, wonach Arbeitnehmer unter bestimmten Umständen außerhalb der Arbeitszeiten nicht mehr auf Kontaktversuche des Arbeitgebers oder Dritte reagieren müssen. Das deutsche Recht sieht bislang kein ausdrückliches Recht auf Nichterreichbarkeit vor.
Allerdings enthält das ArbZG enge zeitliche Grenzen für die Erbringung der Arbeitsleistung. Ruhepausen und Ruhezeiten sind zwingend einzuhalten (§§ 3, 4 ArbZG). Verstöße können Ordnungswidrigkeiten bis hin zu Straftaten darstellen (§§ 22, 23 ArbZG). Zudem sind Arbeitgeber verpflichtet, im Arbeitsvertrag Regelungen zur vereinbarten Arbeitszeit, Ruhepausen und Ruhezeiten aufzunehmen (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 NachwG). Im Grundsatz müssen Arbeitnehmer nur während dieser arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeiten erreichbar sein. Etwas anderes gilt nur dann, wenn etwas Abweichendes, wie z.B. Rufbereitschaft, vereinbart ist.
Zwischen Recht und Realität bestehen hier regelmäßig Unterschiede, was nicht zuletzt mit der von der Digitalisierung geprägten Arbeitswelt 4.0. zusammenhängt.
Praxistipps für Arbeitgeber
Arbeitgebern ist in einem ersten Schritt zu raten, sich zunächst ein Bewusstsein für die Potentiale, aber auch für die Risiken einer ständigen Erreichbarkeit zu schaffen. Im Sinne der Transparenz sollte ein einheitlicher Umgang mit der Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeiten festgelegt werden.
Sinnvoll ist es, den Umgang mit der ständigen Erreichbarkeit aktiv zu regeln. Arbeitgeber haben diesbezüglich eine Vielzahl an Handlungsoptionen: So kann der Arbeitgeber z.B. vorgeben, dass Arbeitnehmer zu bestimmten Uhrzeiten oder am Wochenende keine E-Mails abrufen dürfen. Ausnahmeregelungen für leitende Angestellte oder während besonders arbeitsintensiver Phasen sollten ebenfalls geregelt sein. Auch technische Hilfsmittel zur Einhaltung der Arbeitszeiten lassen sich implementieren, wonach bspw. das Empfangen von E-Mails in gewissen Zeiten blockiert oder E-Mails während Abwesenheitszeiten automatisch an eine Vertretung weitergeleitet werden.
Alles in allem gilt: Ein geregelter Umgang mit dem Thema „ständige Erreichbarkeit“ dürfte zu Rechtsklarheit und Akzeptanz innerhalb der Belegschaft führen.
[1] Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit – Berichtsjahr 2017, 61.