Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes

Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz bietet geschädigten Anlegern die Möglichkeit, Tatsachen- oder Rechtsfragen, die sich in mehreren Klagen gleichlautend stellen, dem Oberlandesgericht zur bindenden Entscheidung vorzulegen. Die Reform des Gesetzes bringt einige wesentliche Änderungen mit sich, mit denen die Gerichte entlastet und die Verfahren beschleunigt werden sollen.

Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes
Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes

30.07.2024 | Bank- und Kapitalmarktrecht

1. Hintergrund

Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) soll Anlegern die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen dadurch erleichtern, dass Tatsachen- oder Rechtsfragen, die sich in mindestens zehn Klagen gleichlautend stellen, dem Oberlandesgericht zur Klärung vorgelegt werden. Dessen Musterbescheid, in dem bindend und einheitlich für alle individuellen Klagen entschieden wird, wird sodann den zwischenzeitlich ausgesetzten Einzelverfahren zugrunde gelegt.

Nach mehrmaliger Verlängerung tritt das bisher geltende KapMuG im Juli 2024 außer Kraft und wird durch das KapMuG-neu abgelöst.

2. Wesentliche Änderungen

Der Gesetzgeber will mit dem KapMuG-neu die Handhabung der Masseverfahren im Interesse der Entlastung der Gerichte und der Verfahrensbeschleunigung effizienter regeln. Hierzu sind insbesondere die folgenden Änderungen vorgesehen.

3. Keine Aussetzung von Amts wegen

Bislang setzte das mit den Einzelverfahren befasste Prozessgericht von Amts wegen alle bereits anhängigen oder bis zum Erlass des Musterbescheids noch anhängig werdenden Verfahren aus, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von den geltend gemachten Feststellungszielen abhing.

Von dieser Grundkonzeption verabschiedet sich das KapMuG-neu: Nach § 10 Abs. 2 KapMuG-neu setzt das Prozessgericht das Verfahren nunmehr nur noch auf Antrag des Klägers aus. Der Gesetzgeber will so die Zahl der Verfahrensbeteiligten reduzieren, da die bisherige Regelung zu einer erheblichen Verfahrensdauer geführt habe und das Verfahren zu überfordern gedroht habe.

4. Inhalt des Eröffnungsbeschlusses

Zudem soll der Vorlagebeschluss des Prozessgerichts dem Oberlandesgericht künftig eine bessere Informationsgrundlage für seinen Eröffnungsbeschluss bieten. Er soll deshalb nach § 7 Abs. 3 KapMuG-neu nicht mehr nur die Feststellungsziele und eine knappe Darstellung des zugrundeliegenden, gleichen Lebenssachverhalts enthalten. Zusätzlich soll er auch die angegebenen Beweismittel auflisten und so dem Oberlandesgericht die Entscheidung über die Sachdienlichkeit der Feststellungsziele erleichtern.

5. Erweiterte Befugnisse des Oberlandesgerichts

Das Oberlandesgericht erhält außerdem erweiterte Befugnisse: So kann es zum einen nach § 9 Abs. 1 S. 2 KapMuG-neu den Streitstoff abschichten und die Feststellungsziele neu fassen und so das Musterverfahren effizienter führen.

Zum anderen ermöglicht ihm § 17 KapMuG-neu, auf Antrag des Musterklägers oder des Musterbeklagten anzuordnen, dass die jeweils anderen Verfahrensbeteiligten oder ein Dritter in seinem Besitz befindliche Beweismittel vorlegen, die für die Beweisführung des Musterklägers bzw. die Verteidigung des Musterbeklagten erforderlich sind. Hierdurch will der Gesetzgeber die Informationsasymmetrie der Beteiligten ausgleichen, um die Ansprüche effektiv klären zu können.

6. Ausblick

Es bleibt abzuwarten, ob das KapMuG-neu die bezweckte Verfahrensbeschleunigung und Entlastung der Gerichte erreichen kann. Anlass zu einer Überprüfung bietet jedenfalls die Regelung des § 31 KapMuG-neu, wonach das Gesetz fünf Jahre nach seinem Inkrafttreten zu evaluieren ist.