30.04.2024 | Bau- und Immobilienrecht
Unternehmer sollten beim Verkauf von Photovoltaikanlagen mit serienmäßig hergestellten und typenmäßig bezeichneten Teilen mit Montagepflicht sowie auch im Rahmen eines Werkvertrages prüfen, ob die Notwendigkeit zur Belehrung über das Verbraucherwiderrufsrecht besteht. Photovoltaikanlagen werden zumeist auf die Bedürfnisse der jeweiligen Verbraucher passend geliefert und montiert. Die Rechtsprechung sieht in der individuellen Anordnung der Module auf den Dächern der Verbraucher aber noch keine Ausnahme zum Bezug sonstiger „Massenware“ und spricht beim Vorliegen weiterer Voraussetzungen dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zu.
1. Grundlage für das Widerrufsrecht
Schließt der Verbraucher außerhalb der Geschäftsräume (§§ 312b, 312g Abs. 1 BGB) oder durch Fernkommunikationsmittel (§ 312c BGB) mit einem Unternehmer einen Vertrag über den Erwerb und die Montage einer standardisierten Photovoltaikanlage, steht ihm in der Regel ein Verbraucherwiderrufsrecht zu.
Die Annahme, dem Erwerb und der Montage einer Photovoltaikanlage käme generell ein zu hohes Maß an individueller Planung und Werkleistung zu, hat die Rechtsprechung nicht überzeugt. Insbesondere, da das Verbraucherwiderrufsrecht auch auf Werkverträge Anwendung findet.
a) Kaufvertrag über eine Photovoltaikanlage mit Montagepflicht
Die kaufrechtlichen Regelungen der §§ 433 ff. BGB finden Anwendung, wenn der Schwerpunkt des Vertrages im Warenumsatz und nicht auf der Montage- und Bauleistung liegt. Schließt der Verbraucher einen Vertrag über den Erwerb und die Montage einer Photovoltaikanlage, welche aus serienmäßig hergestellten Teilen nebst Zubehör zusammengesetzt wird, und lassen sich die Hauptbestandteile der Anlage ohne größeren Aufwand wieder demontieren und wiederverwenden, liegt ein Kaufvertrag vor (BGH, Urteil vom 3.3.2004 – VIII ZR 76/03). Der Unternehmer ist unter den o.g. Voraussetzungen verpflichtet, den Verbraucher über sein Widerrufsrecht zu belehren.
Die Ausnahme des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB, die wie folgt lautet, findet auf die standardisierte Photovoltaikanlagen regelmäßig keine Anwendung:
„Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen:
1. Verträge zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind.“
Bei den serienmäßigen Bestandteilen handelt es sich um vorgefertigte Waren. Zwar bedarf es für den Anbau der Bestandteile der Ausrichtung an dem individuellen Dach des Verbrauchers. In der Regel fällt die individuelle Bestimmung jedoch derart gering aus, dass die Ausnahme des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB keine Anwendung findet. Beispiele für die individuelle Bestimmung und Auswahl durch den Verbraucher i.S.d. § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB sind nach der Rechtsliteratur Adressaufkleber mit den Kontaktdaten des Verbrauchers, T-Shirts mit einem speziellen auf die konkrete Person bezogenen Aufdruck oder Maßanfertigungen. Gleiches gilt für Waren, die aufgrund ihrer Individualisierung nicht an Dritte veräußert werden können (BeckOK BGB/Martens, 68. Ed., Stand: 1.11.2023, § 312g BGB Rn. 16 f.). Im Falle der serienmäßigen Photovoltaikanlage werden zwar die Module der Anlage individuell angeordnet. Die „Waren“, d.h. die Module, sind jedoch Massenware ohne Individualisierung.
b) Werkvertrag über die Planung und den Anbau der Photovoltaikanlage
Liegt der Schwerpunkt des Vertrages wiederum in der individuellen Planung und Montage der Photovoltaikanlage, haben die Parteien einen Werkvertrag geschlossen. Und auch in diesem Fall steht dem Verbraucher unter den o.g. Voraussetzungen ein Widerrufsrecht zu, über welches der Unternehmer zu belehren hat (vgl. BGH, Urt. v. 30.8.2018 – VII ZR 243/17).
Das Verbraucherwiderrufsrecht findet grundsätzlich auch auf Werkverträge Anwendung. Das Gesetz verwendet lediglich das Wort „Dienstleistungen“ statt „Werkleistungen“, vgl. § 356 Abs. 4 BGB. Dies ist auf den europarechtlichen Einfluss zurückzuführen.
2. Konsequenz der fehlenden Widerrufsbelehrung
Aufgrund der Unkenntnis vieler Unternehmer über diesen Umstand wird die Widerrufsbelehrung häufig unterlassen. Konsequenz dessen ist die Verlängerung der Widerrufsfrist um ein Jahr, vgl. § 356 Abs. 3 BGB. In dieser Zeit hat der Verbraucher weiterhin das Recht, den Vertrag rückabzuwickeln, ohne Wertersatz leisten zu müssen, vgl. § 357a BGB. Um diesem Risiko vorzubeugen, bedarf es der Prüfung im Einzelfall, ob eine Belehrung notwendig und ob die verfasste Belehrung ausreichend ist.