28.02.2024 | Arbeitsrecht
Die am 6. Juni 2023 in Kraft getretene Entgelttransparenzrichtlinie (EU/2023/970) sieht zwar eine dreijährige Umsetzungsfrist bis zum 7. Juni 2026 vor, eine Auseinandersetzung mit deren Inhalt kann sich für Arbeitgeber aber bereits jetzt lohnen. Da die Richtlinie die Arbeitgeberpflichten in Fragen der Entgelttransparenz erheblich ausweitet, wird der Gesetzgeber hier früher oder später nachschärfen müssen.
Die Regelungen des derzeit geltenden EntgTranspG
Das seit 2017 geltende EntgTranspG verbietet die unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und -bedingungen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit. Hierzu regelt es im Wesentlichen einen individuellen Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers über das Entgelt der mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer des anderen Geschlechts. Im Falle einer Benachteiligung kann der Arbeitnehmer das zu wenig gezahlte Entgelt rückwirkend vom Arbeitgeber verlangen.
Dem EntgTranspG wird bislang jedoch eine eher geringe Wirkung konstatiert. Dies liegt vor allem daran, dass der oben erwähnte Anspruch nur Arbeitnehmern zusteht, die in einem Betrieb mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten tätig sind. Damit fällt ein Großteil der deutschen Arbeitgeber bislang gar nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes. Darüber hinaus richtet sich der Anspruch des Arbeitnehmers auf den bisweilen wenig aussagekräftigen statistischen Median der durch den Arbeitnehmer zu benennenden Vergleichsgruppe. Besteht diese Vergleichsgruppe aus weniger als sechs Personen, so ist der Anspruch aus Gründen des Datenschutzes ausgeschlossen, was den Anwendungsbereich des Gesetzes wiederum erheblich eingrenzt. Zur regelmäßigen Berichterstattung zum Thema Gleichstellung und Entgeltgleichheit sind lediglich private Arbeitgeber mit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten verpflichtet. Damit fällt der weitaus überwiegende Teil der Arbeitgeber in Deutschland auch in dieser Hinsicht nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes. Zuletzt wird das EntgTranspG wohl zu Recht auch auf Rechtsfolgenseite als Papiertiger bezeichnet. Neben den im Zweifel klageweise geltend zu machenden Zahlungsansprüchen eines einzelnen Arbeitnehmers sieht dieses nämlich keinerlei Sanktionen für Verstöße gegen die oben genannten Pflichten vor.
Die Mindestanforderungen der neuen Entgelttransparenzrichtlinie
Die beschriebenen Lücken will die EU mit der neuen Entgelttransparenzrichtlinie schließen. Aufgrund dieser drohen Arbeitgebern, die nicht über ein objektives und diskriminierungsfreies Vergütungssystem verfügen, Schadensersatzansprüche, Strafzahlungen und Gerichtsverfahren.
Nach der neuen Richtlinie beginnen die Pflichten des Arbeitgebers bereits im Bewerbungsprozess. Stellenbewerber haben das Recht, vom zukünftigen Arbeitgeber Informationen über das Einstiegsgehalt bzw. die Spanne desselben für die Stelle zu erhalten, wobei es den Parteien eines Arbeitsvertrages weiterhin freisteht, ein Gehalt außerhalb dieser Spanne zu vereinbaren. Des Weiteren ist es Arbeitgebern nach der Richtlinie verboten, nach dem bisherigen Gehalt im laufenden oder in einem früheren Arbeitsverhältnis zu fragen. Zu beachten ist hier insbesondere, dass dies ausnahmslos für jeden Arbeitgeber gilt, und zwar unabhängig von der Beschäftigtenzahl. Schon an dieser Stelle werden Arbeitgeber demnach nicht mehr umhin kommen, ein objektives Vergütungssystem anzuwenden.
Auch der individuelle Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis wird durch die neue EU-Richtlinie deutlich gestärkt. Dieser steht nun ebenfalls jedem Arbeitnehmer zu, unabhängig von der Größe des ihn beschäftigenden Betriebs. Er besteht nunmehr auch unabhängig von der Größe der Vergleichsgruppe und bezieht sich sowohl auf das Entgelt der Arbeitnehmer des eigenen als auch des anderen Geschlechts. Während eine Antwort des Arbeitgebers nach dem bisherigen EntgTranspG innerhalb von drei Monaten in Textform zu erfolgen hatte, muss eine Auskunft nun schriftlich und innerhalb von zwei Monaten erfolgen.
Im Rahmen der Informations- und Berichterstattungspflichten stellt die Richtlinie ebenfalls die Weichen neu. Arbeitgeber müssen nun darüber informieren, welche Kriterien sie für die Festlegung des Entgelts, der Entgelthöhe und der Entgeltentwicklung verwenden und diese Informationen in leicht zugänglicher Weise zur Verfügung stellen. Ausnahmen können nur für Arbeitgeber mit weniger als 50 Beschäftigten vorgesehen werden. Des Weiteren besteht die Berichterstattungspflicht nun schon ab einer Beschäftigtenanzahl von 100 Arbeitnehmern und auch die einzelnen Berichtspflichten fallen deutlich umfassender als nach dem bisherigen EntgTranspG aus. Je nach Größe des Unternehmens sollen die Berichtspflichten aber immerhin gestaffelt erst ab dem Jahr 2027 entstehen.
Zu guter Letzt sieht die Richtlinie Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Arbeitgebern, die gegen die genannten Pflichten verstoßen, vor. Die Mitgliedstaaten sind dazu angehalten, Vorschriften zu wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen zu erlassen. Hierzu gehören auch Geldbußen, welche auf dem Bruttojahresumsatz oder der Gesamtentgeltsumme des Arbeitgebers beruhen können. Bei wiederholten Verstößen müssen zudem spezielle Sanktionen vorgesehen werden, wie beispielsweise der Entzug öffentlicher Zuwendungen oder der Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen.
Fazit und Ausblick
Das Ende des Zeitalters, in welchem das EntgeltTranspG den meisten Arbeitgebern zwar ein Begriff war, in deren Unternehmensalltag aber eher ein Schattendasein führte, dürfte mit Verabschiedung der neuen EU-Richtlinie eingeläutet worden sein. Auch wenn die Bestrebungen der EU zur Herstellung von mehr Entgelttransparenz im Grundsatz zu begrüßen sein mögen, stellen die erhöhten Anforderungen insbesondere mittelständische und kleinere Arbeitgeber vor nicht zu unterschätzende bürokratische und organisatorische Herausforderungen. Es bleibt abzuwarten, wie und wann der deutsche Gesetzgeber die Anforderungen der EU-Richtlinie in das EntgeltTranspG einfließen lassen wird. Arbeitgeber dürften allerdings gut damit beraten sein, ihre Entgeltregelungen und deren Anwendung in der Praxis schon jetzt unter dem Gesichtspunkt geschlechtsspezifischer Entgeltdiskriminierung zu überprüfen und sich auf die Umsetzung der zu erwartenden umfangreichen Arbeitgeberpflichten vorzubereiten. Die Aufstellung eines durchdachten objektiven Vergütungssystems kann durchaus länger als ein Jahr in Anspruch nehmen und sollte daher spätestens jetzt in Angriff genommen werden.