18.08.2023 | Bau- und Immobilienrecht
Die Verjährungshemmung nach § 204 Abs.2 Satz 1 Fall 2 BGB endet bei einem selbständigen Beweisverfahren durch „anderweitige Beendigung des eingeleiteten Verfahrens“. Diese anderweitige Beendigung des Verfahrens und damit auch das Ende der Verjährungshemmung tritt mit sachlicher Erledigung der beantragten Beweissicherung ein. Die Beendigung durch sachliche Erledigung erfolgt durch Abschluss eines Vergleichs oder mit Bekanntgabe der Beweisergebnisse. Letzteres tritt in der Regel mit dem Ablauf der durch das Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme mit Übersendung des schriftlichen Gutachtens an die Beteiligten, ein. Bei fehlender Fristsetzung ist die Rechtslage unklar. Eine Begutachtung ist danach abgeschlossen, wenn keine Fragen mehr an den Sachverständigen gestellt werden oder Einwendungen gegen das Gutachten vorgebracht werden. Sicherheitshalber wird man dann den Tag der Zustellung des Gutachtens als relevanten Anknüpfungszeitpunkt annehmen müssen.
Bislang galt laut Urteil des BGH vom 3. Dezember 1992 (VII ZR 86/92), dass die Hemmung der Verjährung zwar mit dem Abschluss der Beweissicherung endet, dies allerdings für jeden geltend gemachten Mangel einzeln gilt. Das bedeutete also, dass bei mehreren voneinander unabhängigen Mängeln eines Bauvorhabens, die Gegenstand eines einheitlichen Beweisverfahrens wurden, der Verjährungsfortlauf für jeden Einzelmangel isoliert zu prüfen und zu beurteilen war.
Rechtsprechungsänderung
Der BGH hält nunmehr an seiner bisherigen Auffassung nicht mehr fest. Entscheidend für die Beurteilung der sachlichen Erledigung ist nach der Rechtsprechungsänderung das Ende der gesamten Beweisaufnahme. Das Verfahren muss sich also insgesamt sachlich erledigt haben und nicht nur teilweise im Hinblick auf einzelne Mängel beendet sein.
Hierfür spricht laut BGH bereits der Wortlaut des § 204 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB, nach welchem die Hemmung sechs Monate nach „anderweitiger Beendigung des eingeleiteten Verfahrens“ endet. Die Vorschrift des § 204 Abs. 2 BGB knüpft dabei also an die einheitliche Beendigung des prozessualen Verfahrens an, das zur Hemmung geführt hat. Da es sich bei der Begutachtung von mehreren unterschiedlichen Mängeln nicht um mehrere selbständige Beweisverfahren handelt, ist es nicht ausreichend, dass die Beweiserhebung hinsichtlich eines Mangels inhaltlich abgeschlossen ist. Eine teilweise Beendigung genügt nicht, vielmehr muss die Beweisaufnahme insgesamt abgeschlossen sein.
Der BGH weist darauf hin, dass auch der Sinn und Zweck der Norm für diese Auslegung spricht. Durch das selbständige Beweisverfahren macht der Gläubiger seinen Rechtsverfolgungswillen deutlich. Der Schuldner ist damit gewarnt und muss auch noch nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist mit einer Inanspruchnahme rechnen. Der Rechtsverfolgungswille des Gläubigers bleibt auch so lange erkennbar, wie das selbständige Beweisverfahren insgesamt noch nicht abgeschlossen ist, unabhängig davon, ob die Begutachtung bezüglich einzelner Mängel bereits abgeschlossen ist und hierzu keine Fragen mehr offen sind. Es ist für den Schuldner absehbar, dass der Gläubiger erst nach Beendigung des gesamten Verfahrens seine Mängelansprüche einheitlich durchsetzen wird. Dass er seine Ansprüche nach jeder abgeschlossenen Begutachtung hinsichtlich jedes einzelnen Mangels geltend macht, ist nicht nur umständlich und zeitaufwendig, sondern entspricht auch weder dem Grundsatz der Prozessökonomie noch der üblichen Praxis. Durch die einheitliche Verjährungshemmung aller im selbständigen Beweisverfahren geltend gemachten Mängel wird künftig vermieden, dass der Gläubiger zur frühzeitigen Klageerhebung und deren sukzessiven nachträglichen Erweiterung gezwungen ist, während das selbstständige Beweisverfahren noch läuft. Vielmehr kann der Antragsteller nun alle Mängelansprüche nach Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens gebündelt gegenüber dem Anspruchsgegner geltend machen. Dies entspricht auch dem mit dem selbständigen Beweisverfahren an sich verfolgten Zweck der Vermeidung von Rechtstreiten. Auch ein den gesamten Streit beendender Vergleich kann in aller Regel nur zustande kommen, wenn auch über alle zu begutachtenden Mängel Klarheit besteht.
Praxishinweis
Bislang stellte die Rechtsprechung des BGH die Baurechtspraxis insbesondere bei umfangreichen selbständigen Beweisverfahren vor Schwierigkeiten. Es musste für die jeweiligen Mängel bzw. Mängelansprüche stets einzeln geprüft werden, ob diese noch von einer Verjährungshemmung umfasst sind oder nicht. Selbst wenn im Übrigen das selbständige Beweisverfahren weiterlief und die Begutachtung insgesamt noch nicht abgeschlossen war, drohte damit für einzelne Mängelansprüche der Ablauf der sechsmonatigen Nachfrist gem. § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB und im Anschluss daran die Verjährung der Ansprüche. Konnte man sich in diesen Fällen nicht auf die Vereinbarung einer Verjährungsverzichtserklärung verständigen, war der Anspruchsteller gezwungen, die Verjährung der betroffenen Gewährleistungsansprüche durch die Einleitung eines Klageverfahrens weiter zu hemmen. Nunmehr können nach Ende der gesamten Beweisaufnahme alle Mängelansprüche in einem Verfahren geltend gemacht werden. Die Rechtsprechungsänderung ist daher zu begrüßen und bringt für die Praxis eine große Erleichterung mit sich. Nach wie vor unklar ist die Rechtslage hinsichtlich der Frage, auf welchen Zeitpunkt bei der sachlichen Erledigung abzustellen ist, wann also genau das Ende der Beweissicherung eingetreten ist. Bei der Berechnung der Verjährung muss hierauf also weiterhin geachtet werden.