28.04.2023 | Arbeitsrecht
Eine betriebsbedingte Kündigung ist nicht schon sozial gerechtfertigt, wenn dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen (§ 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG)), sondern erst wenn der Arbeitgeber auch eine ordnungsgemäße Sozialauswahl getroffen hat (§ 1 Abs. 3 KSchG). Mit der Sozialauswahl soll vermieden werden, dass nicht gerade der schützenswürdigste Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz verliert. Die dabei relevanten Sozialdaten sind die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung. Einbeziehung in die SozialauswahlBetriebsbezogenheitFür die Einbeziehung in die Sozialauswahl kommen alle Mitarbeiter des Betriebes in Betracht. Unternehmens- oder konzernbezogen ist die Sozialauswahl grundsätzlich nicht. Achtung bei konzernweiten Versetzungsklauseln! VergleichbarkeitDie Sozialauswahl wird lediglich zwischen vergleichbaren Mitarbeitern durchgeführt. Die Prüfung auf Vergleichbarkeit wird nur innerhalb derselben Hierarchieebene durchgeführt. Es gibt keinen Anspruch auf Beförderung durch Sozialauswahl. Innerhalb derselben Hierarchieebene ist Mitarbeiter X mit Mitarbeiter Y vergleichbar, wenn X mit seinen Kenntnissen und Fähigkeiten (nach kurzer Einarbeitungszeit) die Aufgaben von Y übernehmen könnte. Hierfür sind z. B. die Berufsausbildung, Zugehörigkeit zur gleichen Berufsgruppe etc. maßgeblich. Daher ist der Lebenslauf genau zu betrachten und nicht nur die aktuelle Position. Auch ist X nur mit Y vergleichbar, wenn der Arbeitgeber den X gemäß dessen Arbeitsvertrag auf die Stelle des Y versetzen könnte. Ausschluss von Leistungsträgern„Leistungsträger“ können unter Umständen aus der Sozialauswahl ausgenommen werden und somit dem Arbeitgeber unabhängig von den Sozialdaten erhalten bleiben. Deren Weiterbeschäftigung muss wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen im berechtigten betrieblichen Interesse liegen. Je schwerer das Interesse der sozial schwächeren Mitarbeiter, desto genauer muss der Ausschluss von Leistungsträgern vom Arbeitgeber begründet werden. SozialdatenDer Arbeitgeber hat bei der eigentlichen Sozialauswahl einen Beurteilungsspielraum. Das Gesetz macht keine starren Vorgaben für die Durchführung der Auswahl. Es muss nicht unbedingt die bestmögliche Sozialauswahl getroffen werden, sondern alle sozialen Gesichtspunkte (Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung) müssen ausreichend berücksichtigt worden sein. Sind beispielsweise die Mitarbeiter X und Y im selben Alter, haben beide keine Unterhaltspflichten und keine Schwerbehinderung, muss nicht unbedingt dem X, der erst zwei Jahre im Betrieb beschäftigt ist, gekündigt werden, weil Y bereits drei Jahre dabei ist. Hier unterscheiden sich für die beiden die Chancen auf dem Arbeitsmarkt nicht. Das „Lebensalter“-Urteil des BAG aus dem Dezember 2022Das BAG hat erneut bestätigt, dass ein hohes Lebensalter nicht unbedingt zur höheren Schutzbedürftigkeit führt. Die Bedeutung des hohen Lebensalters reduziert sich, wenn der betreffende Mitarbeiter entweder bereits eine abschlagsfreie Rente bezieht oder spätestens innerhalb von zwei Jahren seit dem Ende des Arbeitsverhältnisses über ein Ersatzeinkommen in Form einer abschlagsfreien Altersrente verfügen wird. PunktesystemBei großen Restrukturierungen kann es helfen, für die Sozialauswahl ein Punktesystem zu verwenden. Dabei werden beispielsweise pro unterhaltsberechtigtes Kind sieben Punkte und pro Beschäftigungsjahr des Mitarbeiters 1,5 Punkte vergeben. Für Mitarbeiter mit den meisten Punkten besteht die höchste soziale Schutzbedürftigkeit. Die Einführung eines solchen Punktesystems ist mitbestimmungspflichtig (Betriebsrat). FazitDie Sozialauswahl stellt für Arbeitgeber im Rahmen von betriebsbedingten Kündigungen oftmals die größte Herausforderung dar. Hier ist sehr genau zu hinzuschauen und abzuwägen. |