20.10.2022 | Commercial, Compliance & Internal Investigations
Wie ist der aktuelle Stand des Gesetzgebungsverfahrens?
Hinweisgeber leisten einen erheblichen Beitrag zur Aufdeckung von Missständen und sollen daher insbesondere vor arbeitsrechtlichen Nachteilen aufgrund ihrer Hinweise geschützt werden. Zu diesem Zweck wurde die Whistleblowing-Richtlinie (RL (EU) 2019/1937 vom 23.10.2019) erlassen, welche die Mitgliedstaaten bis 17. Dezember 2021 in nationales Recht hätten umsetzen müssen. Deutschland ist bestrebt, seiner Umsetzungspflicht mit dem zukünftigen Hinweisgeberschutzgesetz nachzukommen. Bislang wurden Hinweisgeber nur vereinzelt durch Gesetz oder Rechtsprechung geschützt.
Am 29. September fand die erste Beratung des Bundestages über den Entwurf der Bundesregierung für das Hinweisschutzgebergesetz statt. Der Entwurf wurde anschließend zur weiteren Beratung an den federführenden Rechtsausschuss abgegeben. Der Bundestag wird das Gesetz voraussichtlich zeitnah beschließen, sodass es bereits Anfang 2023 in Kraft treten könnte.
Wer ist zur Einrichtung einer Meldestelle verpflichtet?
Jeder Beschäftigungsgeber im Sinne des Entwurfs muss eine interne Meldestelle einrichten. Solche Beschäftigungsgeber sind natürliche Personen, juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, rechtsfähige Personengesellschaften sowie sonstige rechtsfähige Personenvereinigungen, die in der Regel mehr als 50 Beschäftigte haben. Unternehmen bestimmter Branchen müssen jedoch unabhängig von der Anzahl ihrer Beschäftigten den Pflichten des Entwurfs nachkommen.
Als öffentliche Beschäftigungsgeber sind u.a. Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, Rundfunkanstalten, öffentlich-rechtliche Stiftungen sowie die Kirchengemeinden der evangelischen und katholischen Kirche betroffen, sofern das jeweilige Landesrecht keine Ausnahme vorsieht.
Der Entwurf verpflichtet zudem den Bund eine externe Meldestelle beim Bundesamt für Justiz zu errichten. Die Länder können für Meldungen, die die jeweiligen Landes- und Kommunalverwaltungen betreffen, eigene externe Meldestellen einrichten. Hinweisgeber haben zwischen den internen und externen Meldestellen ein Wahlrecht.
Wer kann sich an Meldestellen wenden?
Der Entwurf schützt die Vertraulichkeit der Identität natürlicher Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld hierzu Informationen über bestimmte Verstöße erlangt haben und diese an interne oder externe Meldestellen weitergeben. Potenziell geschützte Hinweisgeber sind daher u.a. Arbeitnehmer*innen, Beamt*innen, Anteilseigner*innen, Mitarbeiter*innen von Lieferanten. Melden können diese Personen Verstöße gegen das deutsche Strafrecht; gegen bestimmte Bußgeldvorschriften; sowie Verstöße gegen bereichsspezifische deutsche und europäische Gesetze – soweit aufgrund bestimmter Geheimhaltungspflichten keine Ausnahme eingreift.
Welche Pflichten haben Beschäftigungsgeber?
Beschäftigungsgeber müssen einen internen Meldekanal einrichten und betreiben. Private Beschäftigungsgeber mit einer Mitarbeiterzahl zwischen 50 und 249 dürfen eine gemeinsame Stelle einrichten. Die rechtliche Verantwortung und Verpflichtung zu Folgemaßnahmen verbleibt allerdings im jeweiligem Unternehmen.
Bei dem Betrieb einer internen Meldestelle müssen insbesondere die Identitäten der Hinweisgeber und von der Meldung Betroffener geschützt werden, es müssen aber auch andere Aufgaben erfüllt werden: Spätestens 7 Tage nach der Meldung muss ihr Eingang dem Hinweisgeber bestätigt werden. Es muss geprüft werden, ob die Meldung unter den komplexen sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes fällt und ob die Meldung stichhaltig ist. Die Meldestelle muss dann Folgemaßnahmen ergreifen und dem Hinweisgeber spätestens nach 3 Monaten eine begründete Rückmeldung hierzu mitteilen, ohne die Rechte betroffener Personen zu verletzen. Folgemaßnahmen sind beispielsweise interne Untersuchungen, die Abgabe des Verfahrens an eine zuständige Stelle oder die Einstellung bei fehlenden Beweisen.
Beschäftigungsgeber können entscheiden, ob sie die interne Meldestelle auch Außenstehenden mit beruflichem Kontakt zu ihnen (z.B. Mitarbeiter*innen von Lieferanten) zur Verfügung stellen möchten und ob die anonyme Abgabe von Hinweisen ermöglicht werden soll. Im Übrigen muss die Übermittlung von Hinweisen telefonisch, in Textform und nach Wunsch des Hinweisgebers auch im Rahmen einer persönlichen Zusammenkunft angeboten werden.
Die Meldestelle muss von unabhängigem Personal, ohne Interessenkonflikte geführt werden und das Personal muss für die Wahrnehmung der Aufgaben vom Unternehmen geschult werden.
Beschäftigungsgeber müssen alle Betroffenen über ihre interne Meldestelle, aber auch über externe Meldestellen leicht zugänglich informieren.
Erfolgte Meldungen müssen außerdem unter Beachtung der Vertraulichkeit dokumentiert und 2 Jahre nach Abschluss des Verfahrens gelöscht werden.
Beschäftigungsgeber dürfen Hinweisgeber infolge einer Meldung nicht im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit benachteiligen (z.B. Kündigung, Nichtverlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags). Sofern sich ein Hinweisgeber auf eine derartige Benachteiligung (Repressalie) beruft, muss der Beschäftigungsgeber aufgrund einer Beweislastumkehr beweisen, dass die Benachteiligung aus gerechtfertigten Gründen erfolgte oder nicht auf der Meldung beruhte.
Welche Folgen hat ein Verstoß gegen das Gesetz?
Bei einem Verstoß gegen die Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle drohen nach dem Entwurf Bußgelder von bis zu EUR 20.000,00. Bei der Verhängung von Repressalien beträgt das Bußgeld bis zu EUR 100.000,00; sind Leitungspersonen involviert sogar bis zu EUR 1 Mio. Hinzu kommen ggf. Bußgelder aufgrund der gemeldeten Missstände, beispielsweise bei Verstößen gegen die DSGVO oder Kartellrecht.
Beschäftigungsgebern drohen Schadensersatzforderungen, wenn sie nicht nachweisen können, dass Repressalien gegenüber einem Beschäftigten unabhängig von seiner Meldung sind. Bei vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Meldungen sollen hingegen die Hinweisgeber für entstandene Schäden aufkommen.
Wann sollten Beschäftigungsgeber tätig werden?
Private Beschäftigungsgeber sind grundsätzlich erst ab Inkrafttreten des Gesetzes verpflichtet. Bei einer Mitarbeiterzahl zwischen 50 und 249 soll es sogar eine Übergangsfrist bis zum 17. Dezember 2023 geben. Für juristische Personen des öffentlichen Rechts und Beschäftigungsgeber, die im Eigentum oder unter Kontrolle einer juristischen Person des öffentlichen Rechts stehen, ergeben sich die Pflichten jedoch bereits seit 18. Dezember 2021 unmittelbar aus der europäischen Richtlinie.
Auch Beschäftigungsgeber, die unter die Übergangsfrist fallen, sollten jedoch schnellstmöglich mit der Umsetzung des Gesetzes beginnen. Die Implementierung einer Meldestelle bedarf Zeit und bei der Ausgestaltung sind die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu wahren.
Wie wir Ihnen helfen können
Die Einrichtung und Aufrechterhaltung einer internen Meldestelle ist sowohl kosten- als auch zeitintensiv und bindet wichtige personelle Kapazitäten. Deshalb bietet es sich für viele Beschäftigungsgeber an, die Aufgaben der internen Meldestelle auf geeignete Dritte auszulagern, etwa durch Einschaltung von sogenannten Vertrauensanwälten.
Wir können nach Ihren individuellen Bedürfnissen ein Meldesystem einrichten oder prüfen, ob Ihr bisheriges Compliance-System die Anforderungen bereits erfüllt. Wir gewährleisten aufgrund unserer Expertise die rasche und fachkundige juristische Bewertung der Hinweise sowie pragmatische Handlungsempfehlungen. Die Erfüllung der Aufgaben durch neutrale Vertrauensanwälte schafft bei Hinweisgebern in der Regel mehr Vertrauen und Akzeptanz. Nutzen Sie die Chance ein gutes Meldesystem zu etablieren, um früh über mögliche Missstände informiert zu werden und diese zu beheben. Haben Hinweisgeber Vertrauen in Ihr System, können Sie vor Überraschungen infolge von der Inanspruchnahme externer Meldestellen bewahrt werden. Kontaktieren Sie uns gerne jederzeit hierzu.