15.06.2022 | Arbeitsrecht
Der Fall
Die Arbeitgeberin, eine Reha-Klinik, hatte eine Arbeitnehmerin auf Rückzahlung von Fortbildungskosten verklagt. Die Arbeitnehmerin war bei der Reha-Klinik von Juni 2017 bis Januar 2020 als Altenpflegerin beschäftigt. Die Parteien schlossen im Februar 2019 einen Fortbildungsvereinbarung, infolgedessen die Arbeitnehmerin von Juni bis Dezember 2019 an 18 Arbeitstagen an einer Fortbildung teilnahm. Die Arbeitgeberin verpflichtete sich, die Kosten der Fortbildung zu übernehmen. Die Parteien vereinbarten überdies eine Rückzahlungsklausel, wonach die Arbeitnehmerin aufgrund einer eigenen ordentlichen, nicht von der Arbeitgeberin zu vertretenden Kündigung die von der Arbeitgeberin übernommenen Fortbildungskosten zurückzuzahlen hat. Vertraglich wurde vereinbart, dass für je einen vollen Monat der Beschäftigung nach dem Ende der Fortbildung 1/6 des gesamten Rückzahlungsbetrags erlassen wird. Die Arbeitnehmerin kündigte das Arbeitsverhältnis zum 01. Februar 2020. Daraufhin forderte die Klinik sie zur anteiligen Rückzahlung der Fortbildungskosten auf. Die Klage wurde sowohl vom Arbeitsgericht Würzburg - Kammer Schweinfurt - als auch vom LAG Nürnberg abgewiesen, da die Klausel einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht standhalte und daher unwirksam sei. Auch die Revision zum BAG scheiterte.
Die Entscheidung des BAG
Das BAG stimmte der Arbeitnehmerin zu und erklärte die Rückzahlungsklausel für unwirksam.
Das Gericht stellte zwar klar, dass Rückzahlungsklauseln im Rahmen von Fortbildungsvereinbarungen grundsätzlich zulässig seien. Es sei jedoch nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden des Arbeitnehmers aufgrund einer Eigenkündigung innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Vielmehr müsse nach dem Grund des Ausscheidens differenziert werden. Eine Rückzahlungsklausel sei dann unangemessen benachteiligend i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn sie den Arbeitnehmer, der das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsdauer kündigt, weil es ihm unverschuldet dauerhaft nicht möglich ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, zur Erstattung der Fortbildungskosten verpflichten soll. Nach der Auffassung des BAG besteht an dem Fortbestehen eines nicht mehr erfüllbaren und damit „sinnentleerten“ Arbeitsverhältnisses in der Regel jedenfalls kein billigenswertes Interesse. Der Umstand, dass sich die Investition in die Fortbildung eines Arbeitnehmers aufgrund unverschuldeter dauerhafter Leistungsunfähigkeit für den Arbeitgeber nicht amortisiert, sei dem unternehmerischen Risiko zuzurechnen.
Das BAG stellte klar, dass es dem Arbeitgeber ohne weiteres möglich sei, die Fälle von der Rückzahlungspflicht auszunehmen, in denen der Arbeitnehmer sich zur Eigenkündigung entschließt, weil er vor Ablauf der Bindungsdauer wegen unverschuldeter Leistungsunfähigkeit die durch die Fortbildung erworbene oder aufrechterhaltene Qualifikation in dem mit dem Verwender der Klausel bestehenden Arbeitsverhältnis nicht (mehr) nutzen kann.
Fazit
Arbeitgeber sind angehalten, etwaige Rückzahlungsklauseln in Fortbildungsvereinbarungen zukünftig an die aktuelle Rechtsprechung des BAG anzupassen. Rückzahlungsvereinbarungen in Fortbildungsverträgen sind fortan so zu gestalten, dass Fälle, in denen sich der Arbeitnehmer zur Eigenkündigung entschließt, weil er vor Ablauf der Bindungsdauer wegen unverschuldeter Leistungsunfähigkeit die durch die Fortbildung erworbene oder aufrechterhaltene Qualifikation in dem mit dem Arbeitgeber bestehenden Arbeitsverhältnis nicht einsetzen kann, von der Rückzahlungspflicht ausgenommen werden. Anderenfalls droht die Unwirksamkeit der gesamten Klausel. Dies hat zur Folge, dass überhaupt keine Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers besteht, ungeachtet dessen, aus welchem Grund der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis kündigt.