01.06.2022 | Arbeitsrecht
I. Was ist eine Druckkündigung?
Eine Druckkündigung erfolgt auf Verlangen eines Dritten. Sie liegt vor, wenn Dritte (z.B. die Belegschaft, Geschäftspartner, Kreditgeber oder der Betriebsrat) unter Androhung von Nachteilen die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers vom Arbeitgeber fordern. Die daraufhin ausgesprochene Kündigung kann aus verhaltens-, personen- oder betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt sein. Je nachdem, welche Fallgruppe einschlägig ist, spricht man von einer unechten bzw. echten Druckkündigung.
1. Unechte Druckkündigung
Das Verlangen eines Dritten gegenüber dem Arbeitgeber kann auf ein bestimmtes Verhalten des Arbeitnehmers oder einen in dessen Person liegenden Grund gestützt sein. Ist dies der Fall, besteht ein objektiv gerechtfertigter Grund, weshalb ein Dritter die Kündigung eines Arbeitnehmers verlangt (sog. unechte Druckkündigung). Unter diesen Umständen liegt es im Ermessen des Arbeitgebers, eine verhaltens- oder personenbedingte Kündigung auszusprechen. Ein verhaltensbedingter Grund kann beispielsweise eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz oder ein Arbeitszeitbetrug sein.
2. Echte Druckkündigung
Bei der echten Druckkündigung übt ein Dritter Druck aus, ohne dass ein Kündigungsgrund besteht. Die Drucksituation kann in Ausnahmefällen als solche zu einer Kündigung aus betriebsbedingten Gründen berechtigen (sog. echte Druckkündigung). Anlass hierfür ist, dass der Arbeitgeber durch den Dritten einer massiven Androhung von Nachteilen ausgesetzt ist. Typische Fälle einer echten Druckkündigung sind Drohungen der Belegschaft mit Streik oder Massenkündigungen oder die Androhung des Abbruchs von Geschäftsbeziehungen für den Fall der Weiterbeschäftigung eines bestimmten Arbeitnehmers.
II. Anforderungen an eine Druckkündigung
1. Anforderungen an eine unechte Druckkündigung
Die Wirksamkeit einer unechten Druckkündigung ist nach den Anforderungen einer verhaltens- bzw. personenbedingten Kündigung zu beurteilen. Voraussetzung für eine Druckkündigung als verhaltensbedingte Kündigung ist stets eine unabhängig von der Drucksituation vorliegende vorwerfbare Vertragspflichtverletzung des Arbeitnehmers. Die Kündigung wird demnach nicht primär wegen des durch den Dritten erzeugten Drucks erklärt, sondern wegen eines verhaltensbedingten Grundes. Im Rahmen der Interessenabwägung kann sich allerdings der auf den Arbeitgeber ausgeübte Druck zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken.
2. Anforderungen an eine echte Druckkündigung
An die Zulässigkeit einer echten Druckkündigung stellt das Bundesarbeitsgericht (BAG) strenge Anforderungen, da anderenfalls die Gefahr eines Missbrauchs bestehen würde.
Nach der Rechtsprechung des BAG muss sich der Arbeitgeber aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Fürsorgepflichten zunächst schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer stellen (vgl. BAG, Urt. v. 05.12.1985 – 2 AZR 61/85). Das BAG konkretisierte diese Pflicht dahingehend, dass vom Arbeitgeber ein aktives Handeln gefordert wird, das darauf gerichtet ist, den Druck abzuwehren (vgl. BAG, Urt. v. 15.12.2016 – 2 AZR 431/15). Nur wenn auf diese Weise die Drohung nicht abgewendet werden kann und bei Verwirklichung der Drohung schwere wirtschaftliche Schäden für den Arbeitgeber zu befürchten sind, kann die Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Die Kündigung muss demzufolge das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel sein, um Schäden abzuwenden (vgl. BAG, Urt. v. 18.07.2013 – 6 AZR 420/12). Welche alternativen Mittel zur Erörterung stehen, hängt insbesondere davon ab, von wem der Druck ausgeht und mit welchen Nachteilen gedroht wird. Erfolgt die Drohung bspw. durch die eigene Belegschaft mit Streik, ist vom Arbeitgeber zu erwarten, dass er diese zunächst auf die Rechtswidrigkeit des Tuns hinweist und vermittelt. Arbeitgeber müssen alles versuchen, um Dritte von ihrer Drohung abzubringen und die Lage zu entspannen. Es gilt das „Ultima ratio“-Prinzip. Der Arbeitgeber sollte überdies den betroffenen Arbeitnehmer anhören, um alle in Betracht kommenden Möglichkeiten auszuschöpfen. Dies kann u.a. eine anderweitige Beschäftigung sein.
Zu berücksichtigen ist schließlich, ob der Arbeitgeber die Drucksituation durch den Dritten herbeigeführt hat. Sofern nämlich der Arbeitgeber die Drucksituation selbst durch ein vorwerfbares Verhalten veranlasst hat, ist eine Kündigung rechtswidrig.
III. Fazit
Eine unechte Druckkündigung ist als eine verhaltens- oder personenbedingte Kündigung einzuordnen und demzufolge nach den jeweiligen Anforderungen durchzusetzen. Sie ist jedenfalls nicht schon dann sozial ungerechtfertigt, weil auch sie Dritte verlangen. Im Gegensatz hierzu wird bei einer echten Druckkündigung ein Bedrängnis ausgeübt, ohne dass ein Kündigungsgrund besteht. Aus diesem Grund stellt die Rechtsprechung des BAG an deren Rechtmäßigkeit strenge Anforderungen. Arbeitgeber sollten sich trotz einer massiven Drucksituation stets vor Augen halten, dass eine Kündigung stets das letzte Mittel ist. Ihnen ist deshalb zu raten, zunächst alle in Betracht kommenden Möglichkeiten auszuschöpfen, um die bestehende Drucksituation zu entschärfen.