19.05.2022 | IT-Recht und Datenschutz
1. Informations- und Transparenzpflichten
Schon bisher sind Unternehmer verpflichtet, wesentliche Informationen in klarer und verständlicher Weise rechtzeitig mitzuteilen. Wesentliche Informationen sind solche, die benötigt werden, um eine informierte geschäftliche Entscheidung treffen zu können. Umfasst sind insbesondere die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung, die (Kontakt-)Angaben zum Unternehmer, Angaben zum Preis und zu Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen und Rechte zum Rücktritt oder Widerruf.
Dieser Informationskatalog wurde nun ausgeweitet. Die neuen Vorschriften bezwecken unter anderem die Verbesserung der Transparenz von Rankings und Verbraucherbewertungen. Betroffen sind Betreiber von Online-Marktplätzen und Bewertungs- und Vergleichsplattformen mit unmittelbarer Bestellmöglichkeit. Unter Online-Marktplätze fallen Dienste, die es Verbrauchern durch die Verwendung von Software (inklusive Websites, Anwendungen) ermöglichen, „Fernabsatzverträge“ mit Unternehmern oder Verbrauchern abzuschließen (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG n.F.), also Verträge mit Fernkommunikationsmitteln, insbesondere über das Internet
a) Unternehmereigenschaft des Anbieters
Auf Online-Marktplätzen hat der Betreiber nach § 5b Abs. 1 Nr. 6 UWG n.F. nun anzugeben, ob der Anbieter ein Unternehmer ist. Diese Unterscheidung wirkt sich maßgeblich auf die Rechte des Verbrauchers aus. Davon hängt etwa ab, ob ein Widerrufsrecht besteht und ob sich Gewährleistungsansprüche ausschließen lassen. Auf Verkaufsplattformen, insbesondere ebay, wird die Unternehmereigenschaft aus diesem Grund nicht selten gezielt verschleiert. Den Betreiber trifft jetzt eine Pflicht, eine Auskunft über die Unternehmereigenschaft von den Anbietern einzuholen und die Nutzer der Online-Marktplätze entsprechend zu informieren. Eine anlassunabhängige Nachprüfpflicht des Betreibers hinsichtlich der Auskünfte der Anbieter besteht allerdings nicht.
Es wird sich in der Praxis und Rechtsprechung zeigen, wann ein „Anlass“ zur Nachprüfung vorliegt, welche Anforderungen an den Unternehmer konkret gestellt werden und wie auf die Unternehmer- bzw. Verbrauchereigenschaft der Anbieter auf Online-Marktplätzen verständlich hingewiesen werden kann. Kein Änderungsbedarf besteht für Unternehmen, die in ihrem Online-Shop nur eigene Waren oder Dienstleistungen anbieten sowie für Betreiber von Bewertungsportalen und Preisvergleichsseiten, die lediglich auf Angebote anderer Seiten verweisen. Sie sind keine Online-Marktplätze in diesem Sinne.
b) Ranking
Unternehmen, die Verbrauchern die Möglichkeit bieten, nach Waren oder Dienstleistungen zu suchen, die von verschiedenen Unternehmen oder Verbrauchern angeboten werden, d.h. insbesondere Online-Marktplatz-Betreiber und Vergleichsplattform-Betreiber, haben transparent darzulegen, wie das Ranking zustande kommt. Ranking ist eine von einem Unternehmer veranlasste Hervorhebung von Waren oder Dienstleistungen, unabhängig von den hierfür verwendeten technischen Mitteln. Anbieter von Online-Suchmaschinen, die zwar explizit von § 5b Abs. 2 S. 3 UWG n.F. ausgenommen werden, haben aber gleichwohl Transparenzpflichten hinsichtlich des Rankings nach der EU-Verordnung 2019/1150 zu erfüllen. Folgende wesentliche Informationen sind dabei „unmittelbar und leicht zugänglich“, kurz und verständlich bereitzustellen:
- Hauptparameter zur Festlegung des Rankings (d.h. alle allgemeinen Kriterien, Prozesse und spezifischen Signale, die in Algorithmen eingebunden sind, oder sonstige Anpassungs- oder Rückstufungsmechanismen, die im Zusammenhang mit dem Ranking eingesetzt werden);
- Relative Gewichtung der Hauptparameter.
Bezweckt wird damit, dass Verbraucher erkennen, inwieweit bestimmte Produkte im Ranking nur deshalb zuvorderst angezeigt werden, weil der Anbieter dafür ein bestimmtes zusätzliches Entgelt bezahlt hat. Neben unmittelbaren Zahlungen kommen auch mittelbare Bezahlungen als „Entgelt“ in Betracht, etwa wenn der Anbieter zusätzliche Verpflichtungen gegenüber dem Unternehmer eingeht.
c) Rezensionen
Da Rezensionen von Verbrauchern mittlerweile ein zentrales Werbemittel sind und Verbraucher solchen Bewertungen regelmäßig mehr Glauben schenken als Aussagen des werbenden Unternehmens, wurden auch insoweit Informations- und Transparenzpflichten im UWG ergänzt. Veröffentlicht der Unternehmer Rezensionen, so hat er darüber zu informieren, ob und wie er sicherstellt, dass die Bewertungen von Verbrauchern abgegeben wurden, die die Waren und Dienstleistungen auch tatsächlich erworben haben. Wie die Formulierung „ob (…) er sicherstellt“ verdeutlicht, ist der Unternehmer durch die Neuregelung nicht verpflichtet, Überprüfungen vorzunehmen und Maßnahmen zur Sicherstellung zu implementieren. Werden keine Maßnahmen getroffen und Überprüfungen durchgeführt, hat der Unternehmer jedoch über diese Tatsache zu informieren.
Um tatsächlich einen Werbeeffekt erzielen zu können und „Fake“-Bewertungen zu vermeiden, dürfte es künftig allerdings unentbehrlich sein, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um nicht auf fehlende Maßnahmen hinweisen zu müssen. Zudem hat der Unternehmer darzustellen, wie mit Bewertungen umgegangen wird, beispielsweise ob alle oder nur positive Bewertungen veröffentlicht werden oder ob und nach welchen Kriterien Textkürzungen vorgenommen werden.
2. Verstöße gegen die „Schwarze-Liste“
Legt der Unternehmer nicht offen, dass ein bestimmtes Ranking von speziellen Zahlungen abhängig ist, führt er über die Echtheit von Verbraucherbewertungen in die Irre oder übermittelt oder beauftragt der Unternehmer gefälschte Verbraucherbewertungen, liegt darin jeweils ein Verstoß gegen die sogenannte „Schwarze Liste“ des UWG (Anhang zu § 3 UWG, dort Nummern 11a, 23b, 23c). Danach sind solche Handlungen gegenüber Verbrauchern stets unzulässig und damit unlauter. Verstöße gegen die Nummern 1 bis 31 der „Schwarzen Liste“ können zudem Individualschadensersatzansprüche der Verbraucher auslösen.
3. Schadensersatzanspruch von Verbrauchern
Ein Novum im UWG ist der Schadensersatzanspruch für Verbraucher. Nach bisher geltender Rechtslage ist ein solcher Anspruch lediglich Mitbewerbern vorbehalten. § 9 Abs. 2 UWG n.F. regelt:
„Wer vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt und hierdurch Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die sie andernfalls nicht getroffen hätten, ist ihnen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht für unlautere geschäftliche Handlungen nach §§ 3a, 4 und 6, sowie nach Nummer 32 des Anhangs.“
Die Ausweitung der Anspruchsberechtigung geht auf die Vorgaben der Richtlinien (EU) 2019/2161 und 2005/29/EG zurück. Da der deutsche Gesetzgeber nicht über diese Vorgaben hinausgegangen ist, begründet nicht sämtliches wettbewerbswidrige und schadensverursachende Verhalten des Unternehmers auch einen Schadensersatzanspruch des Verbrauchers, sondern nur Verstöße gegen richtlinienumsetzende Vorschriften. Neben den bereits in § 9 Abs. 2 S. 2 UWG explizit genannten Normen löst auch ein Verstoß gegen § 7 UWG keinen Individualschadensersatzanspruch aus. § 7 UWG regelt die Unlauterkeit der Werbung mittels Fax, elektronischer Post (insb. E-Mail) ohne ausdrückliche Einwilligung des Adressaten (Verbraucher oder Unternehmer), mithin die Fälle des „Spamming“ und der Zusendung unbestellter Newsletter.
4. Ausblick
Es wird sich zeigen, inwieweit Verbraucher bei Verstößen gegen Informations- und Transparenzpflichten auf den Individualschadensersatzanspruch nach dem UWG zurückgreifen können und werden, da es dem Verbraucher obliegt, die anspruchsbegründenden Umstände darzulegen und zu beweisen und der Schaden häufig – gerade bei Verstößen gegen Informations- und Transparenzpflichten – gering ausfallen dürfte. Zudem bestehen gewisse Unsicherheiten, die den Verbraucher von der Geltendmachung abhalten könnten, etwa weil in manchen Fällen unklar ist, ob gerade gegen eine richtlinienumsetzende Vorschrift verstoßen wird, dem Gewährleistungsrecht im konkreten Normenkonfliktfall Vorrang einzuräumen ist (vgl. Art. 3 Abs. 2 RL 2005/29/EG) oder eine nur unerhebliche Pflichtverletzung vorliegt (§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB), die einen Schadensersatzanspruch auch nach dem UWG ausschließen dürfte.