Sanktionen bei Verstößen gegen Corona-Schutzmaßnahmen

Dr. Sabine Neumann

Dr. Sabine Neumann

Halten sich Arbeitnehmer nicht an Corona-Schutzmaßnahmen, stehen dem Arbeitgeber verschiedene Sanktionsinstrumente zur Verfügung.

Sanktionen bei Verstößen gegen Corona-Schutzmaßnahmen
Sanktionen bei Verstößen gegen Corona-Schutzmaßnahmen

06.05.2022 | Arbeitsrecht

Arbeitgeber sehen sich zunehmend mit Verstößen gegen Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus konfrontiert. Als Sanktionsinstrumente kommen u.a. verhaltensbedingte Kündigungen, Abmahnungen oder Freistellungen in Betracht. In diesem Zusammenhang sind nunmehr auch erste arbeitsgerichtliche Urteile ergangen.

1. Grundsätzlich Abmahnung erforderlich

Verweigert der Arbeitnehmer die Einhaltung der am Arbeitsplatz angeordneten Corona-Schutzmaßnahmen, liegt eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung vor. Unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände kommt der Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung in Betracht.

In einem kürzlich vor dem ArbG Hamburg entschiedenen Fall ging es um einen Arbeitgeber, der die regelmäßige Durchführung von Corona-Schnelltests (hier: Abstrich im vorderen Nasenbereich) angeordnet hatte (ArbG Hamburg, Urt. v. 24.11.2021 – 27 Ca 208/21). Nachdem sich ein Arbeitnehmer an drei aufeinanderfolgenden Tagen geweigert hatte, sich den Corona-Tests zu unterziehen, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich. Das ArbG Hamburg stellte die Unwirksamkeit der verhaltensbedingten Kündigung fest. Es lag zwar aufgrund der verweigerten Corona-Schnelltests eine Pflichtverletzung vor. Vor Ausspruch der Kündigung sei allerdings der Ausspruch der Abmahnung als milderes Mittel erforderlich gewesen. Diese sei nicht von vornherein entbehrlich gewesen. Denn der Arbeitgeber habe nicht ausschließen konnte, dass der Arbeitnehmer für den Fall der Androhung von Konsequenzen für den Bestand seines Arbeitsverhältnisses seine Verweigerungshaltung überdacht und die bereitgestellten Corona-Schnelltests zukünftig durchgeführt hätte.

2. Außerordentliche Kündigung

Verletzt der Arbeitnehmer seine arbeitsvertragliche Pflicht zur Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen in besonders schwerer Weise, kann im Einzelfall auch der Ausspruch einer außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung denkbar sein.

In einem Fall, welcher von dem ArbG Köln entschieden wurde, hatten sowohl der Arbeitgeber als auch der Kunde des Arbeitgebers das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung gefordert (ArbG Köln, Urt. v. 17.06.2021 – 12 Ca 450/21, Berufung ist derzeit noch anhängig). Der Arbeitnehmer weigerte sich eine Maske zu tragen und reichte mit einer Mail unter dem Betreff „Rotzlappenbefreiung“ ein ärztliches Attest ein, wonach es dem Arbeitnehmer aus medizinischen Gründen unzumutbar sei, eine nicht-medizinische Alltagsmaske oder eine vergleichbare Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Überdies ist der Arbeitnehmer dem Angebot des Arbeitgebers zur Prüfung einer arbeitsbezogenen Eignung nicht nachgekommen. Der Arbeitgeber erkannte das ärztliche Attest nicht an und mahnte den Arbeitnehmer ab. Nachdem der Arbeitnehmer sich weiterhin bei Kundeneinsätzen weigerte, die Maske zu tragen, kündigte der Arbeitgeber außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Das Arbeitsgericht Köln wies die Klage des Arbeitnehmers ab. Der Kläger habe mit seiner beharrlichen Weigerung, bei der Ausübung seiner Tätigkeit beim Kunden den vom Arbeitgeber angeordneten und vom Kunden verlangten Mund-Nasen-Schutz zu tragen, wiederholt gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen. Eine Rechtfertigung ergebe sich nicht aufgrund des ärztlichen Attests. Zum einen sei das Attest zum Zeitpunkt seiner Vorlage bereits fast ein halbes Jahr alt und damit nicht mehr aktuell gewesen. Zum anderen enthalte das Attest keinerlei Begründung, aufgrund welcher gesundheitlicher Gründe das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht zumutbar sein soll. Schließlich bestünden Zweifel an der Ernsthaftigkeit der medizinischen Einschränkungen des Arbeitnehmers, da er selbst den Mund-Nasen-Schutz als „Rotzlappen“ bezeichnet habe und dem Angebot einer betriebsärztlichen Untersuchung nicht nachgekommen sei.

3. Unbezahlte Freistellung

Als weitere - mildere - Sanktion ist eine unbezahlte Freistellung des Arbeitnehmers erwägenswert. Damit hat sich kürzlich das LAG Hamburg befasst (LAG Hamburg, Urt. v. 13.10.2021 – 7 Sa 23/21). In diesem Fall ging es ebenfalls um einen Arbeitnehmer, der sich weigerte, die im Betrieb angeordnete Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Der Kläger konnte deshalb seine vertraglich geschuldete Leistung nicht mehr erbringen, woraufhin der Arbeitgeber die Gehaltszahlungen einstellte. Das LAG Hamburg stellte zunächst fest, dass die Einführung einer Mund-Nasen-Bedeckung am Arbeitsplatz grundsätzlich vom Direktionsrecht umfasst und im Einzelfall auch angemessen gewesen sei. Da der Arbeitnehmer sich nicht an die Weisung des Arbeitgebers hielt, war der Arbeitgeber berechtigt, die Vergütung einzustellen. Die Voraussetzungen eines Annahmeverzuges lagen nicht vor. Denn dieser setzte voraus, dass der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Leistung ordnungsgemäß anbietet. Hieran fehlte es vorliegend, weil der Arbeitnehmer nicht bereit war, seine Arbeitsleistung unter Einhaltung der vom Arbeitgeber angeordneten Mund-Nasen-Bedeckung zu erbringen.

4. Praxishinweise

Aus dem Vorstehenden wird deutlich, dass bei Corona-Verstößen die allgemein anerkannten arbeitsrechtlichen Sanktionsinstrumente Anwendung finden.

Bei Umsetzung dieser Sanktionen ist - wie immer - der Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände zu beleuchten. Dabei sind insbesondere auch anstehende Lockerungen oder auslaufende Befristungen von Corona-Schutzmaßnahmen zu berücksichtigen. Werden Corona-Schutzmaßnahmen zeitnah aufgehoben, so kann es dem Arbeitgeber im Einzelfall zumutbar sein, den Arbeitnehmer vorübergehend nur unbezahlt freizustellen, anstatt diesem zu kündigen oder ihn abzumahnen. Überdies hat der Arbeitgeber vor der Umsetzung der Sanktionen zu überprüfen, ob tatsächlich betriebliche Gründe für die Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb vorliegen. Denn für die Wirksamkeit der vorgenannten

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