19.11.2021 | IT-Recht und Datenschutz
Die Zahl der erfolgreichen Klagen auf immateriellen Schadensersatz nach der DSGVO sind bislang recht rar gesät. Dies hat diverse Gründe, wobei insbesondere die Darlegung des Schadens und die Frage der Bagatellschwelle eine Rolle spielen. In diesem Zusammenhang konnten wir für einen Mandanten vor dem Landgericht Frankfurt am Main nun eine Schmerzensgeldzahlung in Höhe von EUR 5.000 erreichen – auf einem etwas unüblichen Weg (dazu später mehr).
1. Ausgangssituation
Unser Mandant, ein Einzelunternehmer, wurde von einem geschäftlichen Kontakt darüber informiert, dass eine größere Wirtschaftsauskunftei ihn mit vollkommen falschen objektiven Daten und sehr negativen Bonitätsbewertungen in ihrem Auskunftsbestand führte. Sowohl die Mitarbeiterzahlen als auch die Umsatzzahlen waren vollkommen falsch.
Wir mahnten die Wirtschaftsauskunftei für unseren Mandanten ab, forderten die Unterlassung der Veröffentlichung falscher Daten und darauf basierender, falscher Bonitätsbewertungen und verlangten darüber hinaus umfassend Auskunft – insbesondere über die Herkunft der falschen Daten. Auch sollte die Auskunftei die Empfänger der falschen Daten nach Art. 19 DSGVO benachrichtigen.
Die Auskunftei lehnte die Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche außergerichtlich in mehreren umfangreichen Schreiben ab. Den Auskunftsanspruch erfüllte sie nicht vollständig und machte insbesondere keine konkreten Angaben zu den Datenquellen (Art. 15 Abs. 1 lit. g DSGVO). Den Anspruch aus Art. 19 DSGVO erfüllte sie ebenfalls nicht.
2. Rechtliche Aspekte
In rechtlicher Hinsicht haben wir für unseren Mandanten mit der Klage geltend gemacht, dass die Beklagte keinerlei Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der falschen objektiven wie subjektiven Daten hatte. Insbesondere handelt es sich auch bei Bonitätsbewertungen um personenbezogene – subjektive – Daten, wie auch die Art. 29 Datenschutzgruppe bereits festgestellt hat. Der Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO (also die Interessenabwägung) kam als Rechtsgrundlage nicht in Betracht, da es kein rechtlich geschütztes Interesse an der Verarbeitung falscher Daten geben kann. Der Richtigkeitsgrundsatz aus Art. 5 DSGVO steht dem entgegen. Die Beklagte war auch beweisbelastet für die Richtigkeit der durch sie veröffentlichten Daten.
Der Schadensersatzanspruch bestand, da zahlreiche DSGVO-Verstöße vorlagen und dem Ruf des Mandanten durch die Verbreitung falscher Daten und negativer Bewertungen massiv geschadet wurde. Durch die negativen Auskünfte bei Personen und Unternehmen, die mit dem Mandanten Geschäfte eingehen wollten, wurde schließlich der falsche Eindruck erweckt, der Mandant sei nicht (sonderlich) kreditwürdig und hätte eine schlechte Zahlungsmoral, so dass das wirtschaftliche Risiko für Geschäftspartner ausgesprochen ernst zu nehmen sei. Letztlich bedeuteten solche Auskünfte für ihn erhebliche gesellschaftliche und wirtschaftliche Nachteile.
3. Gerichtliches Verfahren
Nach der intensiven außergerichtlichen Auseinandersetzung mit der Auskunftei legten wir Klage ein, wobei wir in dem Klageschriftsatz auf die von der Auskunftei aufgeworfenen rechtlichen Argumente nochmals umfangreich eingingen. Die beklagte Auskunftei erkannte die Klage sodann vollumfänglich – sowohl hinsichtlich der weitreichenden Unterlassungsansprüche als auch hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs – an. Das gerichtliche Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt endete somit ohne mündliche Verhandlung mit einem Anerkenntnisurteil (PDF). Aus Sicht der Gegenseite war dieses Vorgehen taktisch nachvollziehbar: Angesichts der für unseren Mandanten positiven Rechtslage ging es offenbar darum, ein zu erwartendes Präzedenzurteil zu ihren Lasten zu verhindern.
Das auf diesem Weg erzielte Schmerzensgeld in Höhe von EUR 5.000 nebst Zinsen zählt zu einem der höchsten, die bislang im Wege eines gerichtlichen Verfahrens in Deutschland unter Geltung der DSGVO erreicht wurden.