30.08.2021 | Arbeitsrecht
Das ArbG Hamburg hat in einer instruktiven neuen Entscheidung (Beschluss vom 29.09.2020 - 14 BV 3/20) zugunsten der von LUTZ | ABEL vertretenen Arbeitgeberin bestätigt, dass die Erforderlichkeit einer Rhetorikschulung für Betriebsrats-Mitglieder personenbezogen zu bestimmen ist. Die Erforderlichkeit richtet sich insbesondere nach den individuellen Fähigkeiten des zu schulenden Mitglieds.
Worüber hatte das ArbG Hamburg zu entscheiden?
Der antragstellende Betriebsrat beschloss, den Betriebsratsvorsitzenden zu einer dreitägigen Rhetorikschulung zu entsenden. Inhalte des Seminars sollten Grundlagen des freien Redens, selbstsicheres Auftreten und praxisorientierte Vortrags- und Formulierungstechniken sowie Rhetorik-Training sein. Der Betriebsratsvorsitzende war vor seiner Freistellung vor rund zwei Jahren ca. 23 Jahre lang als Vertriebsmitarbeiter im Außendienst tätig. Die Arbeitgeberin lehnte unter Verweis auf die fehlende Erforderlichkeit des Seminars die Kostenübernahme ab. Der Betriebsrat beantragte gerichtlich die Übernahme der Schulungskosten durch die Arbeitgeberin.
Entscheidung des ArbG Hamburg: Erforderlichkeit bemisst sich individuell unter anderem nach der beruflichen Tätigkeit
Nach dem BetrVG sind die Kosten für Schulungs- und Bildungsveranstaltungen durch den Arbeitgeber zu tragen ist, sofern das durch die Schulung vermittelte Wissen für die Tätigkeit des Betriebsrats erforderlich ist. Dies ist immer dann der Fall, wenn das Wissen unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb notwendig ist, damit der Betriebsrat seine Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann. Dafür ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG zwischen der Vermittlung von Grundkenntnissen und anderen Schulungsveranstaltungen zu differenzieren.
Das ArbG Hamburg hat zutreffend erkannt, dass es sich bei einer Rhetorikschulung in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BAG um eine Spezialschulung handelt, so dass die Darlegung einer konkreten betriebsbezogenen Erforderlichkeit für die Schulung des Vorsitzenden nötig ist. Die allgemeinen Aufgaben des Betriebsrates genügten für die Erforderlichkeit daher nicht. Auch die Stellung als Betriebsratsvorsitzender allein sei nicht ausreichend. Insbesondere folgte das ArbG aber der Argumentation der Arbeitgeberin, dass berücksichtigt werden müsse, ob der Vorsitzende auch ohne ein Seminar schon über ausreichende Fertigkeiten und Erfahrungen auf dem entsprechenden Gebiet verfüge. Die Erforderlichkeit sei demnach individuell personenbezogen zu bestimmen. Das ArbG Hamburg hielt aufgrund der langjährigen Tätigkeit des Vorsitzenden im Vertrieb, welche auch Kundenverhandlungen umfasste, eine rhetorische Schulung nicht für notwendig. Es sei davon auszugehen, dass der Betriebsratsvorsitzende aufgrund seiner beruflichen Erfahrungen zur sachgerechten Erfüllung der Aufgaben rhetorisch in der Lage sei. Die Entscheidung ist mittlerweile rechtskräftig.
Praxistipp: Bei Schulungsanträgen genau hinschauen!
Für die Praxis bedeutet der Beschluss: Genaues Hinschauen bei Schulungsanträgen des Betriebsrats lohnt sich! Nicht jedes durch den Betriebsrat beantragte Seminar ist auch erforderlich. Es sollte jedenfalls hinterfragt werden, ob die vermittelten Kenntnisse im konkreten Fall notwendig sind, um sach- und fachgerecht den Betriebsratstätigkeiten nachzugehen. Der Betriebsrat kann zu einer entsprechenden Darlegung der Erforderlichkeit als Grundlage für die Entscheidung des Arbeitgebers aufgefordert werden.