30.07.2021 | Arbeitsrecht
Muss der Arbeitnehmer Auskunft über das Reiseziel geben? Kann der Arbeitgeber Reisen in „Corona-Risikogebiete“ verbieten? Was passiert nach Rückkehr mit dem Vergütungsanspruch im Quarantäne- und Krankheitsfall? Besteht eine Testpflicht bei Rückkehr aus einem „Corona-Risikogebiet“? Diese und viele andere Fragen rund um den Urlaub während der Corona-Pandemie sorgen für einigen Zündstoff zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmer. Wir beantworten die brisantesten Fragen aus der Praxis:
Darf der Arbeitgeber die Arbeitnehmer nach ihren Reisezielen fragen?
Grundsätzlich sind Arbeitnehmer nicht verpflichtet Auskunft über ihr Reiseziel geben. Gerade in der Corona-Krise treffen den Arbeitgeber jedoch erhebliche Schutzpflicht gegenüber seinen Arbeitnehmern (Stichwort: „Schutz vor Gefahren für Leben und Gesundheit“ gemäß § 618 BGB und § 3 Abs. S.1 ArbSchG). Vor diesem Hintergrund hat der Arbeitgeber nach unserer Auffassung ein berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, ob seine Arbeitnehmer ihren Erholungsurlaub in einem sog. „Corona-Risikogebiet“ verbringen werden bzw. in einem Risikogebiet verbracht haben. Um dem Arbeitgeber zu ermöglichen, die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu treffen müssen Arbeitnehmer nicht ihr konkretes Reiseziel offenlegen. Sie müssen aber vor Urlaubsbeginn beantworten, ob sie planen in ein „Corona-Risikogebiet“ zu reisen bzw. nach Rückkehr Auskunft geben, ob sie sich in einem „Corona-Risikogebiet“ aufgehalten haben.
Wie die Einstufung als Risikogebiet konkret erfolgt und welche Staaten bzw. Regionen jeweils aktuell davon erfasst sind, kann auf der Internetseite des Robert-Koch-Instituts nachgelesen werden.
Kann der Arbeitgeber Urlaub in einem „Corona-Risikogebiet“ verbieten?
Nein. Trotz der Schutzpflicht des Arbeitgebers gegenüber den anderen Arbeitnehmern und der Pflicht der Arbeitnehmer auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen, kann der Arbeitgeber Urlaubsreisen in „Corona-Risikogebiete“ nicht verbieten. Die Urlaubsgestaltung ist prinzipiell die Privatangelegenheit der Arbeitnehmer und ein „Reiseverbot“ des Arbeitgebers würde unverhältnismäßig stark in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer eingreifen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Reisen in eine „Corona-Risikogebiet“ keine negativen Folgen für die Arbeitnehmer haben können. Gerade wenn Arbeitnehmer sich bewusst dazu entschließen, in ein „Corona-Risikogebiet“ zu reisen, kann dies nach der Rückkehr im Fall einer Quarantäne oder COVID-Erkrankung nachteilige Auswirkungen auf ihren Vergütungsanspruch haben (siehe unten).
Können Arbeitnehmer einen bereits genehmigten Urlaubsantrag zurücknehmen, wenn die Urlaubsreise aufgrund der Corona-Krise nicht angetreten werden kann?
In diesem Fall gilt der Grundsatz: Genehmigt ist genehmigt. Einen einmal vom Arbeitgeber genehmigten Urlaubsantrag kann ein Arbeitnehmer nicht mehr einseitig zurücknehmen. Dies gilt auch, wenn die geplante Reise (beispielweise wegen eines pandemiebedingten Einreiseverbots) nicht angetreten werden kann. Spiegelbildlich kann auch der Arbeitgeber den Arbeitnehmern bereits genehmigten Urlaub nicht einseitig widerrufen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz greift jedoch zugunsten des Arbeitgebers, wenn bei Festhalten an dem Urlaub der Zusammenbruch des Unternehmens droht. Eine solche Ausnahmesituation lag jedenfalls in Zeiten hoher Inzidenzen nicht im Bereich des Unmöglichen.
Haben Arbeitnehmer Anspruch auf Vergütung, wenn sie sich nach dem Aufenthalt in einem Risikogebiet in häusliche Quarantäne begeben müssen?
Hier ist danach zu differenzieren, ob das Reiseziel bereits vor Reiseantritt als Risikogebiet eingestuft war oder ob dieser Einstufung erst während des Urlaubs erfolgte.
1. Einstufung als „Corona-Risikogebiet“ vor Reiseantritt
War das Reiseziel bereits vor Reiseantritt als Risikogebiet eingestuft, und musste der Arbeitnehmer daher damit rechnen, dass er sich nach der Rückkehr in Quarantäne wird begeben müssen, hat er den Arbeitsausfall selbst verschuldet (Stichwort: „Verschulden gegen sich selbst“). Dies hat negative Auswirkungen für den Arbeitnehmer sowohl hinsichtlich des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall als auch bezüglich eines Entschädigungsanspruchs nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG). Denn ist der Arbeitnehmer nach einem Urlaub im Risikogebiet arbeitsunfähig an COVID-19 erkrankt, besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Sofern zwar keine COVID-Erkrankung besteht, der Arbeitnehmer sich aber nach den geltenden Regelungen in häusliche Quarantäne begeben muss, besteht auch keinen Anspruch auf Entschädigung nach § 56 IfSG. Ergänzend ist festzuhalten, dass der Anspruch auf Vergütung selbstverständlich besteht, wenn der Arbeitnehmer während der Dauer der Quarantäne seine Arbeitsleistung aus dem Homeoffice erbringt.
2. Einstufung als Risikogebiet nach Urlaubsantritt
Anders ist die rechtliche Lage, wenn das Reiseziel erst während des Aufenthaltes zum Risikogebiet erklärt wird. Ist der Arbeitnehmer in dieser Fallkonstellation in Quarantäne und gleichzeitig arbeitsunfähig an COVID-19 erkrankt, hat er nach den üblichen Regelungen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Befindet er sich nach der Rückkehr aus dem Risikogebiet in Quarantäne, ohne erkrankt zu sein, hat er Anspruch auf eine Entschädigung nach § 56 IfSG, die über den Arbeitgeber ausgezahlt wird.
Muss der Arbeitnehmer in der Quarantäne arbeiten?
Befindet sich der Arbeitnehmer in häuslicher Quarantäne – ohne an COVID-19 erkrankt zu sein – und ist ihm dort die Arbeit im Homeoffice möglich, ist er verpflichtet, diese Möglichkeit zu nutzen. Gleiches gilt, wenn ihm die mobile Arbeit an einem anderen Ort der Quarantäne möglich ist. Seine Pflicht zur Arbeit entfällt erst, wenn er durch Erkrankung arbeitsunfähig wird. Etwas anderes gilt selbstverständlich, wenn die Arbeit zwingend im Betrieb erledigt werden muss.
Entfällt der Vergütungsanspruch, wenn Arbeitnehmer pandemiebedingt nicht rechtzeitig aus dem Urlaub zurückkehren?
In den letzten Monaten sind Arbeitnehmer häufig nicht rechtzeitig aus dem Urlaub zurückgekommen, weil Flugverbindungen ausgesetzt wurden oder sie wegen Infektionsschutzmaßnahmen am Urlausort nicht wie geplant abreisen konnten. Nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen trägt der Arbeitnehmer das Wegerisiko. Teilweise wird jedoch vertreten, dass die Vergütung gemäß § 616 BGB jedenfalls dann für eine verhältnismäßig kurze Zeit fortzuzahlen sei, wenn die Beschränkungen für den Arbeitnehmer nicht vorhersehbar waren. Der Vergütungsanspruch besteht jedoch nicht – und dies stellt § 56 IfSG explizit klar, wenn der Arbeitnehmer bewusst in ein „Corona-Risikogebiet“ gereist ist. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass § 616 BGB disponibel ist und eine Anwendbarkeit in Arbeitsverträgen ausgeschlossen werden kann.
Darf der Arbeitgeber die Rückkehr in den Betrieb von einem negativen Corona-Test abhängig machen?
Diese Frage kann nach unserer Auffassung (noch) nicht eindeutig beantwortet werden und wird in den kommenden Wochen noch für reichlich Zündstoff sorgen. Bislang wurden lediglich Unternehmen verpflichtet, ihren Beschäftigten, soweit diese nicht ausschließlich in ihrer Wohnung arbeiten, mindestens zwei Corona-Tests pro Woche anzubieten. Damit geht jedoch keine allgemeine Pflicht für die Arbeitnehmer einher, solche Tests auch durchzuführen.
Für eine Testpflicht des Arbeitnehmers spricht die Entscheidung des Arbeitsgerichts Offenbach (Beschluss vom 04.02.2021 – 4 Ga 1/21). Das Gericht hat sich im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens mit einer Testpflicht für Mitarbeiter auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung beschäftigt. Die Betriebsvereinbarung sah eine Testpflicht für Arbeitnehmer vor, wenn „ein begründeter Verdacht besteht, dass sich Mitarbeiter mit dem Sars-CoV-2-Virus angesteckt haben oder das Risiko [Anm. des Autors: aufgrund hoher Inzidenz] deutlich erhöht ist“.
Das Arbeitsgericht lehnte den Antrag zwar bereits mangels besonderer Eilbedürftigkeit ab, befasste sich aber gleichwohl auch inhaltlich mit der Regelung in der Betriebsvereinbarung. Das Gericht betonte die Schutzpflicht des Arbeitgebers gegenüber den anderen Arbeitnehmern gemäß § 618 Abs. 1 BGB und § 3 I 1 ArbSchG. Die Testpflicht diene gerade dem Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer, da sie geeignet sei eine Ansteckung der anderen Mitarbeiter in Betrieb zu vermeiden. Die Durchführung eines Tests sei auch nicht offensichtlich unverhältnismäßig.
Fazit zur Testpflicht
Ein Grundsatz zur Handhabung der Testpflicht lässt sich aus dieser einzelfallbezogenen Entscheidung nicht herleiten – insbesondere, weil im Rahmen des Eilrechtsschutzes lediglich die offenkundige Rechtswidrigkeit geprüft wurde. Aus unserer Sicht sprechen gute Argumente für eine Testpflicht, die auf die Mitwirkungspflicht des Arbeitnehmers gemäß § 241 Abs. 2 BGB gestützt werden kann. Denn durch einen vergleichsweise geringen Eingriff kann ein Infektionsschutz für viele Mitarbeiter erreicht werden. Dies gilt umso mehr, wenn der Arbeitnehmer Kundenkontakt hat. Aus Sicht des Arbeitnehmers besteht jedenfalls das Risiko, dass er bei Verweigerung eines Tests freigestellt wird und kein Anspruch auf Annahmeverzugslohn besteht.