08.04.2021 | IP-Recht
Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass ein Markeninhaber nur dann Schadensersatz verlangen kann, wenn er die verletzte Marke auch selbst kommerziell verwertet (Urteil vom 19. November 2020, Az. I-20 U 152/16). Zwar können Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche drohen, einen unmittelbaren finanzieller Ersatz eines (möglichen) Schadens hat das Gericht aber nicht zugesprochen.
Hintergrund des Verfahrens
In dem Verfahren ging es um die Verwendung des „ÖKO-TEST“-Siegels. Die Klägerin ist die Herausgeberin des bundesweit erscheinenden ÖKO-TEST-Magazins, in welchem insbesondere Waren- und Dienstleistungstests veröffentlicht werden. Die Klägerin ist zudem Inhaberin verschiedener Bildmarken, unter anderem der folgenden, beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum eingetragenen (Registernr. 010745529):
Laut den vom Gericht festgestellten Angaben gestattet die Klägerin den Herstellern getesteter Produkte, Werbung mit dem ÖKO-TEST-Label zu betreiben. Voraussetzung dafür ist der Abschluss eines unentgeltlichen Lizenzvertrages, der Einzelheiten zur Nutzungsberechtigung vorsieht. Nach Abschluss erhalten die Hersteller erhalten dann eine Datei mit der aktuellen Wort-/Bildmarke, in welche die Hersteller das getestete Produkt sowie das Testergebnis und dessen Fundstelle einfügen.
Die Beklagte in diesem Verfahren ist eine Herstellerin von Zahncremes. Der Warentest einer bestimmten Zahncreme wurde im Jahrbuch Kosmetik 2005 veröffentlicht, die Bewertung lautete „sehr gut“. Für die Bewerbung dieses Produktes schloss die Beklagte mit der Klägerin im Jahr 2005 einen Lizenzvertrag zur Nutzung des damals aktuellen ÖKO-TEST-Labels.
Im Jahr 2014 entdeckte die Klägerin die Werbung einer Zahnpasta der Beklagten, wobei diese Zahnpasta nach Auffassung der Klägerin von derjenigen abwich, für welche der Lizenzvertrag geschlossen wurde. Aufgrund der Abweichung hielt die Klägerin die Beklagte für nicht berechtigt, das ÖKO-TEST-Label zu verwenden und forderte die Beklagte mit Anwaltsschreiben zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Beklagte hat eine solche Unterlassungserklärung nicht abgegeben, die Klägerin daraufhin gerichtlich die Unterlassung gefordert (erstinstanzlich Landgericht Düsseldorf, Az. 2a O 197/15).
Entscheidung des OLG Düsseldorf
Das OLG Düsseldorf billigte der Klägerin einen Anspruch auf Unterlassung sowie in begrenztem Umfang auf Auskunft zu. Weitergehende Ansprüche lehnte das Gericht ab. Insbesondere lehnte das OLG Düsseldorf auch einen Anspruch auf Schadensersatz ab. Ein materieller Schaden sei der Klägerin nicht entstanden, weil sie ihre Marke unentgeltlich lizensiert. Mangels Schadensersatzanspruchs hat auch die Auskunftsklage keinen Erfolg, soweit sie sich ausschließlich auf die Bezifferung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs beziehe.
Im Einzelnen:
Unterlassungsanspruch wegen bekannter Marke
Hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs ging das OLG Düsseldorf davon aus, dass es sich bei dem genannten ÖKO-TEST-Label um eine bekannte Marke im Sinne des Art. 9 Abs. 2 lit. c) der Unionsmarkenverordnung handelt. Aus diesem Grund können die Rechte der Klägerin auch dadurch verletzt sein, dass das Label hier gerade als Testsiegel verwendet wurde und nicht als klassische Marke.
Kein Schadensersatz
Einen Anspruch auf Schadensersatz billigte das Gericht der Klägerin hingegen nicht zu. Es fehle an einem materiellen Schaden der Klägerin. Grundsätzlich gibt es für die Berechnung des Schadens bei Verletzungen geistigen Eigentums drei Berechnungsmöglichkeiten:
- Konkreter Schaden
- Lizenzanalogie
- Herausgabe des Verletzergewinns
Notwendig für jede Schadens-Berechnung ist, so das Gericht, allerdings ein Schaden. Voraussetzung ist eine Vermögenseinbuße beim Verletzten. Diese sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Klägerin habe für alle denkbaren Nutzungen eine unentgeltliche Lizenzierung angeboten und damit in der Sache auf eine geldliche Verwertung ihres Rechts vollständig verzichtet. Die Lizenzierungspraxis der hiesigen Klägerin unterscheidet sich daher vom Regelfall, dass Markeninhaber von Nutzern eine Gegenleistung etwa in Form einer Lizenzgebühr einfordern.
Unabhängig von der Berechnungsmethode sei der Klägerin damit kein Schaden entstanden, so das Gericht. Dies gelte auch nach der häufig verwendeten Methode der Lizenzanalogie: Die Lizenzanalogie geht davon aus, welche Lizenzgebühr redliche Parteien für die Nutzung vereinbart hätten. Verzichtet allerdings, wie im vorliegenden Fall, der Verletzte auf jegliche kommerzielle Nutzung seines Ausschließlichkeitsrechts, könne der objektive Wert der Nutzung nur mit „Null“ angesetzt werden.
Auch eine Berechnung über die Herausgabe des Verletzergewinns hat das Gericht ausgeschlossen. Zwar dürfte sich, wie im Verfahren zwischen den Beteiligten erörtert, ein Gewinn ermitteln lassen, den die Beklagte gerade durch die Nutzung des ÖKO-TEST-Labels erzielt hat. Aber auch diese Berechnungsmethode geht davon aus, dass der Verletzte einen Gewinn realisiert hätte, wenn der Verletzer die Verletzung nicht vorgenommen habe. Da aber die Klägerin auf die kommerzielle Verwertung verzichtet hat, kann ihr auch nach dieser Berechnungsmethode kein Schaden entstanden sein.
Kein Auskunftsanspruch bzgl. Schaden
Soweit die Klägerin Auskunft zur Schadensberechnung verlangt hatte, kann sie Aufstellungen von Umsatz und Gewinn nicht beanspruchen. Diese Aufstellungen wären unverhältnismäßig, weil der Klägerin kein Schadensersatzanspruch zusteht.
Revision zugelassen
Ob das letzte Wort in dieser Angelegenheit gesprochen wurde, ist offen. Das OLG Düsseldorf hat die Revision zum Bundesgerichtshof (dort ist das Verfahren nun unter dem Az. I ZR 201/20 anhängig) zugelassen – dies auch vor dem Hintergrund, dass eine solche Lizenzierungspraxis in Markensachen eher eine Ausnahme darstelle, sie aber im Bereich des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte weit verbreitet sei.
Einordnung
Auf den ersten Blick scheint es zunächst nachvollziehbar zu sagen: „Wo kein Schaden entstanden ist, muss auch kein Ersatz geleistet werden“. Legt man den vom OLG Düsseldorf angesetzten Maßstab aber auch bei anderen IP-Rechten zugrunde, können insbesondere Inhaber von Urheberrechten, die ihre Werke unentgeltlich zur Verfügung stellen, keinen finanziellen Ausgleich für Verletzungen verlangen. Zugespitzt bedeutet dies, dass das Risiko einer unberechtigten Nutzung in derartigen Fällen „nur“ das Risiko einer Abmahnung bedeutet (und hierfür ggf. entsprechenden Aufwendungsersatz). Weitergehende Kosten wären nicht zu befürchten. Wie der BGH diese Frage entscheidet, ist daher spannend und kann weitreichende Folgen für die Inhaber jeglicher geistiger Schutzrechte haben.