15.03.2021 | IP-Recht
Kostenfragen in Patentverletzungs- und Patentnichtigkeitsverfahren
Anders als in vielen anderen ausländischen Rechtsordnungen, gibt es in Deutschland ein Kostenregime, das von dem Grundsatz geleitet ist, dass die in einem Rechtstreit unterlegene Partei die Kosten des Rechtstreits tragen soll, was zur Konsequenz hat, dass sie sowohl Gerichtskosten als auch gegnerische Anwaltskosten bezahlen muss. Hierfür gibt es einen gesetzlichen Rahmen mit Tabellen, aus denen ersichtlich ist, wie hoch diese von der unterlegenen Partei zu bezahlenden Kosten im Einzelnen sind. Wenn die Partei mit ihrem eigenen Rechtsanwalt und/oder Patentanwalt keine abweichende Vereinbarung getroffen hat, kann sich aus diesen gesetzlichen Regeln auch ergeben, welches Honorar an diese eigenen Anwälte - unabhängig vom Ausgang des Verfahrens – zu zahlen ist.
Dieser gesetzliche Rahmen hat nicht nur Einfluss auf zu zahlende Anwaltshonorare oder zu erstattenden Kosten, sondern bestimmt eine Reihe von weiteren Faktoren. Beispielsweise hat die klagende Partei vor Prozessbeginn und um sicherzustellen, dass die Klage überhaupt an die Beklagte zugestellt wird, Gerichtsgebühren vorzuschießen.
Für die Höhe all dieser angesprochenen Gebühren gibt es eine wichtige Kenngröße, nämlich den „Streitwert“, der auch „Gegenstandswert“ genannt wird. Der Streitwert, den der Kläger als eine einseitige Schätzung in der Klageschrift angibt und der im Laufe des Verfahrens vom Gericht festgesetzt wird, gibt an, welche wirtschaftliche Bedeutung die klägerischen Anträge haben.
Um Missverständnisse zu vermeiden und weil die Frage immer wieder gestellt wird: bei dem vom Kläger anzugebenden und vom Gericht festzusetzenden Streitwert handelt es sich um eine sehr grobe Schätzung, die lediglich auf die Kostenfrage Auswirkungen hat. So sagt der Streitwert beispielsweise nichts darüber aus, in welcher Höhe der Kläger nach einem erfolgreichen Patentverletzungsprozess vom Beklagten Schadensersatz verlangen kann oder welchen Wert ein Patent, das Gegenstand eines Patentnichtigkeitsverfahrens ist, tatsächlich hat.
Noch eine wichtige Vorbemerkung: In Deutschland sind Patentverletzungsverfahren und Patentnichtigkeitsverfahren getrennt. Das mit der Patentverletzung betraute Gericht kann nicht über die Nichtigkeit des Patents entscheiden, sondern – allenfalls – den Verletzungsprozess aussetzen, wenn ein paralleles Patentnichtigkeitsverfahren anhängig ist. Dies führt häufig zu parallelen Verfahren, die die Patentverletzung einerseits und die Patentnichtigkeit andererseits betreffen.
Die beiden nachfolgenden Tabellen geben einen ersten Überblick, mit welchen Kosten in einem erstinstanzlichen und zweitinstanzlichen Patentverletzungsverfahren zu rechnen ist. Für die dritte Instanz, d.h. die Nichtzulassungsbeschwerde und/oder das Revisionsverfahren beim BGH ist auf eine Tabelle verzichtet worden, weil es hierfür eine zu große Bandbreite von kostenrelevanten Möglichkeiten gibt.
Zur Erläuterung der Tabellen:
Die wichtigste Bemerkung zuerst: Die Tabellen bilden das Kostenrisiko nicht abschließend ab. Sie geben lediglich einen groben Überblick dazu, welche Kosten die unterlegene Partei der obsiegenden Partei zu erstatten hat, welche Gebühren zu Beginn des Prozesses vom Kläger vorzuschießen sind oder welche Prozesskostensicherheit vom Kläger zu leisten ist. Die von einer Partei tatsächlich zu tragenden Kosten können aus einer ganzen Reihe von Gründen höher ausfallen, beispielsweise weil sie eine Honorarvereinbarung mit ihren Anwälten getroffen hat. Darüber hinaus berücksichtigen die Tabellen eine ganze Reihe von regelmäßig von der unterlegenden Partei zu erstattenden Positionen nicht, wie zum Beispiel: Reisekosten, Kosten für die Recherchen nach Stand der Technik, Übersetzungskosten und in seltenen Fällen Sachverständigenkosten.
Wie sind die Tabellen zu verstehen?
1. In der ersten Spalte sind typische Streitwerte angegeben, wie sie in Patentverletzungs- und Patentnichtigkeitsverfahren häufig von den Gerichten festgesetzt werden. Der höchste Wert beträgt EUR 30 Mio., weil dies die gesetzliche Obergrenze in diesem System darstellt. Dieser Wert wird nur in seltenen, wirtschaftlich sehr bedeutenden Fällen angesetzt. Natürlich kann in derartigen Fällen das wirtschaftliche Interesse einen noch höheren Wert haben, was allerdings nichts daran ändert, dass die gesetzlichen Gebühren auf der Grundlage dieses Wertes ihr oberes Limit erreichen.
In den nicht seltenen Fällen, in denen der Patentinhaber eine Patentverletzungsklage und der vermeintliche Patentverletzer zu seiner Verteidigung eine Patentnichtigkeitsklage eingereicht hat, orientiert sich das erstinstanzlich mit der Patentnichtigkeitsklage befasste Bundespatentgericht zunächst an dem Streitwert, der vom mit dem Patentverletzungsverfahren befassten Gericht festgesetzt worden ist. Wenn das Bundespatentgericht keine anderen Anhaltspunkte hat, die einen höheren Streitwert rechtfertigen, erhöht es den vom Verletzungsgericht festgesetzten Streitwert um 25 %.
2. In der zweiten Spalte sind die Gebühren aufgeführt, die an den eigenen Rechtsanwalt und Patentanwalt für die jeweilige Instanz zu zahlen sind. Wenn eine Honorarvereinbarung vorliegt, können sie auch höher ausfallen. In Patentverletzungsverfahren wird der Prozess üblicherweise von einem Rechtsanwalt und einem mitwirkenden Patentanwalt betreut. In Patentnichtigkeitsverfahren ist dies anders: der Prozess wird üblicherweise von einem Patentanwalt betreut, dem in der Regel nur dann ein Rechtsanwalt zur Seite steht, wenn auch ein Patentverletzungsverfahren anhängig ist.
3. In der dritten Spalte sind die Gerichtsgebühren aufgeführt, die zu Beginn des Verfahrens vom Kläger vorzuschießen sind. Die vollständige Zahlung der Gerichtsgebühren ist wichtig, weil andernfalls die Klage an den Beklagten nicht einmal zugestellt wird. Die Frage, ob der Kläger oder der Beklagte in den weiteren Instanzen die jeweiligen Gerichtsgebühren vorschießen muss, hängt vom Urteil der vorangegangenen Instanz ab.
Wird beispielsweise ein Beklagter in einem Patentverletzungsprozess in der ersten Instanz verurteilt, muss er im Berufungsverfahren, d.h. der zweiten Instanz, die Gerichtsgebühren vorschießen.
4. In der vierten Spalte sind die Gebühren aufgeführt, die eine im Prozess unterliegende Partei für die jeweilige Instanz der gegnerischen Partei für deren Rechtsanwalt und Patentanwalt zu erstatten hat. In Patentverletzungsverfahren sind dies regelmäßig die Gebühren für einen Rechtsanwalt und einen mitwirkenden Patentanwalt.
Für Patentnichtigkeitsverfahren ist zu differenzieren:
Wenn ein paralleles Patentverletzungsverfahren anhängig ist, sind die Gebühren für einen Patentanwalt und einen mitwirkenden Rechtsanwalt regelmäßig erstattungsfähig. Wenn die Patentnichtigkeitsklage erhoben wird, ohne dass es ein paralleles Patentverletzungsverfahren gibt, sind regemäßig nur die Gebühren für entweder den Patentanwalt oder einen Rechtsanwalt, nicht jedoch für beide erstattungsfähig.
5. In der fünften Spalte ist das Kostenrisiko für die jeweilige Instanz angegeben. Der Betrag setzt sich aus den Einzelbeträgen der Spalten 2, 3 und 4 zusammen. Es handelt sich um die minimalen Kosten, die unterlegene Partei zu tragen hat.
6. In der sechsten Spalte sind die Beträge aufgeführt, die in bestimmten Fällten vom Kläger zu Prozessbeginn als Sicherheit geleistet werden müssen.
Diese sogenannte „Prozesskostensicherheit“ soll das Risiko der verklagten Partei absichern, im Falle des Obsiegens ihre Kosten tatsächlich erstattet zu bekommen. Sie muss nicht geleistet werden, wenn der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum hat.
Für alle anderen Kläger muss geprüft werden, ob ausnahmsweise aufgrund völkerrechtlicher Verträge keine Prozesskostensicherheit geleistet werden muss. Um ein prominentes Beispiel zu nennen: Ein amerikanischer Kläger muss Prozesskostensicherheit leisten.
Die für Deutschland wichtigen erstinstanzlichen Gerichtsstände für Patentverletzungsverfahren, nämlich Düsseldorf und Mannheim, berechnen die Höhe der Prozesskostensicherzeit unterschiedlich. Die betreffenden Beträge sind in der sechsten Spalte mit (1) für das Landgericht Düsseldorf und mit (2) für das Landgericht Mannheim dargestellt.
Eine hiervon nochmal abweichende Berechnung wendet das Bundespatentgericht in Patentnichtigkeitsverfahren an. Auch für dieses Gericht sind die entsprechenden Beträge in der sechsten Spalte aufgeführt. Wenn sich im Laufe des Prozesses herausstellt, dass die beklagte Partei im Falle ihres Obsiegens einen höheren Anspruch auf Kostenerstattung hätte, kann vom Gericht die zu leistende Prozesskostensicherheit auch erhöht werden.
Die Prozesskostensicherheit wird regelmäßig in Form einer Bankbürgschaft geleistet, die an den Beklagten zu übergeben ist. Gewinnt der Kläger den Prozess, muss der Beklagte die Bankbürgschaft zurückgeben.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Kostenrisiko für Patentverletzungs- und Patentnichtigkeitsverfahren in Deutschland im Vergleich zu anderen Rechtsordnungen relativ gering ist. Vor allem in den USA muss mit erheblich höheren Kosten gerechnet werden.
Anders als in vielen anderen Rechtsordnungen gibt es jedoch den prozessualen Grundsatz, dass die unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens, d.h. gegnerische Anwalts- und Patentanwaltskosten sowie die Gerichtskosten tragen muss.