22.02.2021 | Arbeitsrecht
Ebenso wie Überstunden kann der Arbeitgeber Kurzarbeit nicht einseitig anordnen. Erforderlich ist eine rechtliche Grundlage, z. B. eine Betriebsvereinbarung oder eine Regelung im Arbeitsvertrag, die die Anordnung von Kurzarbeit gestattet. In der Regel enthalten Arbeitsverträge keine sog. „Kurzarbeitsklauseln“, sodass insbesondere in betriebsratslosen und nicht tarifgebundenen Betrieben für den Arbeitgeber keine Möglichkeit besteht, ohne Zustimmung der Arbeitnehmer Kurzarbeit einzuführen.
Vor diesem Hintergrund hat das Arbeitsgericht Stuttgart entschieden, dass eine fristlose Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit möglich sein soll (Urteil vom 22.10.2020 – 11 Ca 2950/20).
Der Sachverhalt
Für die klagende Arbeitnehmerin entfiel im Frühjahr 2020 pandemiebedingt der Beschäftigungsbedarf. Sie war als Personaldisponentin bei einem betriebsratslosen Leiharbeitsunternehmer insbesondere für die Planung der Leiharbeitskräfte in den ab Mitte März 2020 geschlossenen Kindertagesstätten zuständig. Daraufhin zeigte die Beklagte der Agentur für Arbeit den Arbeitsausfall an und die Agentur bestätigte das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld (KUG).
Eine Regelung zur einseitigen Einführung von Kurzarbeit lag nicht vor und die ab Anfang April arbeitsunfähig erkrankte Klägerin lehnte eine Vertragsänderung ab, durch die Kurzarbeit ermöglicht werden sollte. Hierauf sprach die Beklagte eine fristlose, hilfsweise ordentliche Änderungskündigung aus. Mit dieser sollte der Beklagten ermöglicht werden, unter Wahrung einer dreiwöchigen Ankündigungsfrist Kurzarbeit anzuordnen, sofern ein erheblicher Arbeitsausfall und die weiteren Voraussetzungen der §§ 95 ff. SGB III vorliegen. Die Klägerin nahm das Angebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an und erhob Änderungsschutzklage.
Das Urteil
Das Arbeitsgericht Stuttgart bejahte die Wirksamkeit der fristlosen Änderungskündigung. Die außerordentliche Änderungskündigung sei durch einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Das Arbeitsgericht stellte zunächst klar, dass der strenge Prüfungsmaßstab für Änderungskündigungen zur reinen Entgeltreduzierung auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden sei. Hiernach hätte die beklagte Arbeitgeberin insbesondere darlegen müssen, dass die Einführung der Kurzarbeit zur Abwendung einer Insolvenz erforderlich sei. Wesentlicher Unterschied zu den Konstellationen einer reinen Entgeltreduzierung qua Änderungskündigung sei, dass die Kurzarbeit lediglich vorübergehend eingeführt und hierdurch gerade nicht in das Verhältnis von Arbeitsleistung zu Arbeitsentgelt (sog. Äquivalenzinteresse) eingegriffen werde. Zudem sei ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Änderungskündigung aufgrund des erheblichen Arbeitsausfalles als sozialrechtliche Bedingung für die Gewährung von KUG gegeben.
Die fristlose Änderungskündigung sei insbesondere auch verhältnismäßig, da sie eine dreiwöchige Ankündigungsfrist vorgesehen habe, die Kurzarbeit zeitlich begrenzt gewesen sei und nur bei Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen der KUG-Gewährung angeordnet werden durfte.
Praxistipp
Die Entscheidung ermöglicht dem Arbeitgeber, auf die Anforderungen der aktuellen Pandemie-Lage angemessen zu reagieren und Kurzarbeit einzuführen, wenn die sozialrechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Besonders zu begrüßen ist, dass dem Erfordernis einer ohne Einführung der Kurzarbeit drohenden Insolvenz eine eindeutige Absage erteilt wurde. Die klaren Vorgaben an die Verhältnismäßigkeit geben dem Arbeitgeber zudem erstmals Leitlinien für die Formulierung der Änderungskündigung an die Hand. Gegen die Entscheidung wurde beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt.