08.02.2021 | Arbeitsrecht
Von Christoph Valentin (Rechtsanwalt) und Sophie-Luise Ninnemann (Wissenschaftliche Mitarbeiterin)
Durch die Einführung von Kurzarbeit sowie den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen kann der Arbeitgeber auf einen verringerten Personalbedarf reagieren. Beide Möglichkeiten schließen sich hierbei nicht aus, sodass auch während der laufenden Kurzarbeit unter bestimmten Voraussetzungen betriebsbedingte Kündigungen gegenüber in Kurzarbeit befindlichen Arbeitnehmern ausgesprochen werden können.
Dauer des Wegfalls des Beschäftigungsbedarfs
Kurzarbeit und betriebsbedingte Kündigung setzten zunächst jeweils einen Arbeitsausfall und damit einen Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit voraus. Der Unterschied liegt jedoch in der zeitlichen Dauer des Arbeitsausfalls und hängt mithin von einer Prognoseentscheidung des Arbeitgebers ab. Kurzarbeit ermöglicht für einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten die vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit unter entsprechender Reduzierung des Arbeitsentgelts, um auf diese Weise kurzfristige Schwankungen im Hinblick auf den tatsächlichen Bedarf an Arbeitskräften auszugleichen. Hierbei ist jedoch erforderlich, dass im Zeitpunkt der Beantragung von Kurzarbeit zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass auf absehbare Zeit wieder mit einer gesteigerten Nachfrage zu rechnen ist, welcher mit den derzeit vorhandenen Arbeitskräften erledigt werden kann.
Eine betriebsbedingte Kündigung unterscheidet sich hiervon durch einen dauerhaften Wegfall des Bedarfs an Arbeitsleistung. Hier muss die arbeitgeberseitige Prognose im Zeitpunkt des Ausspruches einer betriebsbedingten Kündigung den Schluss zulassen, dass der betreffende Arbeitsplatz dauerhaft für die Zukunft entfällt und eine Neubesetzung zumindest für die nächsten Monate ausscheidet.
Anforderungen an betriebsbedingte Kündigung während der Kurzarbeit
Auch nach der Einführung von Kurzarbeit bleiben betriebsbedingte Kündigungen weiterhin möglich. Eine Sperre in dem Sinne, dass Arbeitnehmer in Kurzarbeit automatisch vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt sind, besteht somit nicht.
Zwar deutet die Einführung von Kurzarbeit zunächst darauf hin, dass nur ein vorrübergehender Wegfall des Bedarfs an Arbeitsleistung besteht und es mithin an dem Kriterium der Dauerhaftigkeit fehlt. Sofern der Arbeitgeber im Rahmen eines etwaigen Kündigungsschutzprozesses allerdings darlegen und beweisen kann, dass während der laufenden Kurzarbeit weitere Umstände hinzugetreten sind, welche nunmehr den Schluss auf einen dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfs zulassen, so kann die zuvor genannte Indizwirkung erschüttert werden.
Die Gründe, welche zu einer Änderung der Prognoseentscheidung betreffend die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit geführt haben, müssen indes schlüssig und nachvollziehbar sein und sich zudem auch unmittelbar auf den Beschäftigungsbedarf auswirken. Hierbei ist zu beachten, dass bspw. der Vortrag des Arbeitgebers, wonach die Anpassung des Personalbedarfs auf einen Auftragsrückgang und mithin lediglich auf äußere Umstände zurückzuführen ist, durch das Arbeitsgericht voll überprüfbar ist. Der Arbeitgeber muss in diesem Falle anhand der Auftrags- und Personalplanung im Einzelnen darlegen, dass es sich nicht nur um eine kurzfristige Auftragsschwankung handelt und dass ggf. weitergehende Anpassungsmaßnahmen gegenüber dem Ausspruch einer Kündigung nicht gleich erfolgsversprechend waren.
Kann der Arbeitgeber indes seinen Rückgang des Arbeitskräftebedarfs zusätzlich oder allein auf eine innerbetriebliche Organisationsentscheidung stützen, ist diese Entscheidung durch die Gerichte nur eingeschränkt überprüfbar. Entscheidet sich der Arbeitgeber beispielsweise während der laufenden Kurzarbeit dazu, Prozesse anzupassen bzw. Produktlinien oder Dienstleistungen einzustellen, so prüfen die Arbeitsgerichte lediglich, ob diese Entscheidung willkürlich erscheint. Eine Zweckmäßigkeitsprüfung erfolgt allerdings nicht. Kann somit der Arbeitgeber darlegen, dass eine innerbetriebliche Organisationsentscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und diese auch zu einem dauerhaften Wegfall von Arbeitsplätzen geführt hat, so lässt sich eine betriebsbedingte Kündigung auch während der laufenden Kurzarbeit rechtfertigen.
Fallstricke vermeiden
Vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung sollten allerdings in diesem Falle etwaige Kollektiv- oder Einzelvereinbarungen daraufhin überprüft werden, ob diese nicht während der laufenden Kurzarbeit den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen untersagen. Zudem ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass ab dem Ausspruch der betriebsbedingten Kündigung die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld nicht mehr vorliegt und die Tatsache der Kündigung der zuständigen Agentur für Arbeit mitzuteilen ist.
Fehlt in diesen Fällen in der kollektiv- oder einzelvertraglichen Vereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit eine Regelung über die Höhe des Arbeitsentgelts während der laufenden Kündigungsfrist, so ist der Arbeitgeber zur Entrichtung der ungekürzten Vergütung und der Arbeitnehmer zur Erbringung der vollständigen Arbeitsleistung verpflichtet.
Pflicht zur Einführung von Kurzarbeit vor dem Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung?
Ob der Arbeitgeber vor dem Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung zunächst Kurzarbeit anmelden und praktizieren muss, ist bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden. Eine derartige Verpflichtung erscheint hingegen nicht gerechtfertigt, da diese auf eine staatlich subventionierte Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs trotz offensichtlicher Aussichtslosigkeit gerichtet wäre. Steht für den Arbeitgeber die Dauerhaftigkeit des Arbeitsausfalls bereits fest, so fehlt es an einer zwingenden Leistungsvoraussetzung für die Gewährung von Kurzarbeitergeld.
Ist indes die Dauerhaftigkeit des Arbeitsausfalls noch nicht prognostizierbar und liegen die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld vor, so hat der Arbeitgeber die Einführung von Kurzarbeit als mildere Maßnahme gegenüber der betriebsbedingten Kündigung vorzuziehen.
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