17.12.2020 | Arbeitsrecht
Weitere Autoren: Sophie-Luise Ninnemann (Wissenschaftliche Mitarbeiterin)
Abermals sehen sich Betriebe mit einem Shutdown konfrontiert und nach wie vor wirft der Umgang mit betreuungspflichtigen Kindern viele Fragen auf. Arbeitnehmern bleibt mangels Alternativen häufig keine andere Möglichkeit, als aufgrund der Schließung von Einrichtungen die Betreuung von Kindern selbst vorzunehmen. Als Novum gilt in diesem Zusammenhang die derzeitige Aussetzung der Präsenzpflicht in Schulen bzw. die Einführung von sog. Wechselunterricht.
Als Unterstützungsleistung wurde insoweit zunächst ein „Sonderurlaub“ für berufstätige Eltern in Aussicht gestellt. Die mit dem Begriff des „Sonderurlaubs“ verbundene Erwartungshaltung wird sich hingegen tatsächlich nicht erfüllen.
Wie ist die Rechtslage zurzeit?
Sofern die Regelung des § 616 BGB nicht zwischen den Arbeitsvertragsparteien abbedungen wurde und der Arbeitnehmer ohne eigenes Verschulden an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert ist, besteht grundsätzlich ein vorübergehender Anspruch auf eine bezahlte Freistellung. Ein solcher Fall liegt u.a. dann vor, wenn aufgrund einer (pandemiebedingten) Schließung von Kindertagesstätten oder Schulen keine anderweitigen Möglichkeiten der Betreuung bestehen und diese daher durch den Arbeitnehmer selbst erfolgen muss. Dies gilt zumindest für Kinder bis 12 Jahren sowie für behinderte Kinder, die auf Hilfe angewiesen sind. Der Anspruch besteht hingegen zeitlich nicht unbegrenzt, wobei die genaue Dauer unterschiedlich beurteilt wird und sich zudem auch nicht unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung ableiten lässt. Vertreten wird insoweit unter anderem ein Zeitraum von wenigen bis hin zu zehn Tagen.
Da die Verpflichtung zur Lohnfortzahlung für den Arbeitgeber in diesen Fällen eine erhebliche Störung des Gleichgewichts von Leistung und Gegenleistung darstellt, kann zumindest von Arbeitgeberseite keine extensive Ausdehnung im Hinblick auf die zeitliche Geltung erwartet werden. Regelmäßig wird daher der Arbeitgeber ab einer bestimmten Dauer die Lohnfortzahlung einstellen. Demgegenüber wird sich ein Arbeitnehmer in diesem Falle üblicherweise darauf berufen, dass ihm weiterhin ein Anspruch auf Lohnfortzahlung zusteht und diesen ggf. klageweise geltend machen.
Um diese Problematik abzumildern wurde bereits anlässlich des Shutdowns im Frühjahr die (einstweilen) bis zum 31. März 2021 befristete Regelung des § 56 Abs. 1a Infektionsschutzgesetz geschaffen. Hiernach haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entschädigung, sofern sie während einer behördlich angeordneten Schul- oder Kitaschließung ihre Kinder selbst betreuen müssen und hierdurch einen Verdienstausfall erleiden. Die Entschädigung, die durch den Arbeitgeber ausgezahlt und diesem auf Antrag durch die zuständige Behörde erstattet wird, deckt hingegen nicht den vollständigen Verdienstausfall ab, sondern ist prozentual sowie der Höhe nach begrenzt.
Sofern allerdings keine behördlich verfügte Schließung vorliegt, sondern wie derzeit lediglich die Präsenzpflicht aufgehoben bzw. bei Kindertagesstätten die Bitte geäußert wird, Kinder nicht in die Betreuung zu geben, besteht (noch) kein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz.
Vorschlag zur Einführung eines „Sonderurlaubs“
Eine weitere Unterstützung sollte daher durch die Einführung eines bezahlten „Sonderurlaubs“ erfolgen, wobei nähere Informationen über Art und Umfang zunächst offenblieben. Nunmehr liegen konkretere Angaben seitens der Bundesregierung im Hinblick auf die tatsächliche Umsetzung vor, welche zumindest auf Arbeitgeberseite für eine gewisse Erleichterung sorgen dürften.
Zu einer Änderung des Bundesurlaubsgesetzes kommt es offenbar ebenso wenig wie zu einem gesetzlich geregelten Freistellungsanspruch zur Kindebetreuung. Stattdessen soll lediglich eine teilweise Kompensation des Verdienstausfalls erfolgen, sofern keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit besteht.
Wie soll der „Sonderurlaub“ eingeführt werden?
Ansatzpunkt für eine Umsetzung ist die bereits oben genannte Regelung des Infektionsschutzgesetzes. Diese soll um einen weiteren Tatbestand ergänzt und künftig neben behördlich veranlassten Schließungen von Betreuungseinrichtungen auch eine Aussetzung der Präsenzpflicht für einen Entschädigungsanspruch ausreichen lassen. Eine solche kann zukünftig somit selbst dann beansprucht werden, wenn lediglich eine Form des Wechsel- oder Fernunterrichts vorliegt und hierdurch ein Betreuungsbedarf entsteht.
Neben der oben genannten Erweiterung des Infektionsschutzgesetzes sind offenbar keine weitergehenden Änderungen beabsichtigt. Eine vollständige Kompensation des Verdienstausfalls erfolgt somit nicht. Es bleibt daher bei der Begrenzung des Entschädigungsanspruchs auf 67% des Verdienstausfalls bis zu einem maximalen Betrag in Höhe von 2.016, - Euro für einen Zeitraum für bis zu zehn Wochen bzw. zwanzig Wochen für eine erwerbstätige Person, die ihr Kind allein betreut oder pflegt. Zudem dürfte zumindest nach derzeitigem Informationsstand die Erweiterung um den Tatbestand der Aussetzung der Präsenzpflicht nur den Eltern schulpflichtiger Kinder zugutekommen.
Arbeitnehmer, bei denen eine Tätigkeit vom Home-Office aus möglich ist, fallen zudem nach wie vor nicht unter den zur Inanspruchnahme einer Entschädigung berechtigten Personenkreis. Hier geht der Gesetzgeber grundsätzlich davon aus, dass sowohl eine Betreuung als auch die Erbringung der Arbeitsleistung aus dem Home-Office nebeneinander möglich sind und es daher zu keinem ausgleichsbedürftigen Verdienstausfall kommt.