Kartellrechtskonforme Gestaltung digitaler Handelsplattformen

 Christoph Richter

Christoph Richter

Digitale Handelsplattformen wirken (zwar) effizienzsteigernd, können aber gegen das Kartellverbot verstoßen. Aus der Fallpraxis des Bundeskartellamtes ergeben sich Hinweise, wie eine kartellrechtskonforme Gestaltung gelingen kann.

Kartellrechtskonforme Gestaltung digitaler Handelsplattformen
Kartellrechtskonforme Gestaltung digitaler Handelsplattformen

10.11.2020 | Kartellrecht

Effizienz vs. Transparenz

Digitale Handelsplattformen sind einerseits (zwar) grundsätzlich geeignet, den Handel effizienter zu gestalten. Sie können die Reichweite bzw. Auffindbarkeit der Anbieter steigern und, damit einhergehend, die Auswahlmöglichkeiten der Abnehmer erweitern. Außerdem ermöglichen sie eine schnellere und unkompliziertere Abwicklung von Geschäften, vereinfachen das Ordermanagement und machen die Marktteilnehmer unabhängig von Öffnungs- bzw. Geschäftszeiten. Im besten Fall führt die Effizienzsteigerung zu einer Qualitätssteigerung und/oder Preissenkung.

Andererseits können von digitalen Plattformen auch wettbewerbsschädliche Wirkungen ausgehen, zumal mit dem Betrieb einer Plattform eine gesteigerte Transparenz einhergeht, die einen (unzulässigen) Informationsaustausch über wettbewerbsrelevante Parameter und Absprachen zwischen Wettbewerbern erleichtern oder sogar entbehrlich machen kann, insbesondere wenn Rückschlüsse auf das künftige Preissetzungsverhalten möglich sind. Dies gilt sowohl im Hinblick auf das Verhältnis der auf der Plattform vertretenen Anbieter untereinander, als auch auf das Verhältnis der Anbieter zum Betreiber (oder mit diesem verbundenen Unternehmen), sofern letzterer auf demselben Markt als Anbieter tätig, d.h. (zugleich) Wettbewerber seiner Plattformnutzer ist. 

Grundsätzlich erforderliche Maßnahmen

Vor diesem Hintergrund müssen bestimmte Vorkehrungen getroffen, damit der Betrieb einer digitalen Handelsplattform nicht gegen das Kartellverbot verstößt. Aus der jüngeren Fallpraxis des Bundeskartellamtes ergeben sich diesbezüglich einige Maßnahmen, die es grundsätzlich zu beachten gilt (vgl. Bundeskartellamt, Pressemitteilungen vom 14.05.2020 – "OLF" (Mineralölvertrieb), 28.02.2020 – "XOM Metals" (Stahlhandel) und 5.2.2020 - "Unamera" (Agrarprodukte)). 

Besondere Vorkehrungen, sofern der Betreiber zugleich als Anbieter auf der Plattform tätig ist

Falls der Betreiber der Plattform (oder mit diesem verbundene Unternehmen) auf demselben Markt wie die auf der Plattform vertretenen Anbieter tätig ist, müssen zusätzliche Vorkehrungen getroffen werden, um sicherzustellen, dass der Betreiber (und/oder verbundene Unternehmen) keinen Zugriff auf wettbewerbsrelevante Daten der (anderen) Anbieter erlangen kann.

Hierzu muss der Betrieb der Plattform

von den anderen Gesellschaften bzw. Geschäftsbereichen des Betreibers der Plattform (bzw. verbundener Unternehmen) getrennt werden. Es müssen also zusätzliche Chinese Walls errichtet werden.

Darüber hinaus müssen die nach GmbH-Gesetz grundsätzlich bestehenden Auskunfts- und Einsichtsrechte der Gesellschafter des Betreibers erforderlichenfalls eingeschränkt bzw. ausgeschlossen werden, zumal diese andernfalls Zugriff auf die auf der Plattform hinterlegten Informationen erlangen könnten.

Handlungsempfehlung: Kartellbehördliches (informelles) "Vorsitzendenschreiben" oder Beantragung eines (förmlichen) "Comfort Letter"

Bei der Implementierung einer digitalen Handelsplattform sollten zumindest die vorstehend genannten Grundregeln eingehalten werden, um das Risiko eines Kartellverstoßes zu reduzieren.

Allerdings resultiert hieraus (noch) keine absolute Rechtssicherheit. Vielmehr muss jede digitale Handelsplattform – genau wie jede sonstige Kooperation mit Wettbewerbern – anhand der einschlägigen kartellrechtlichen Bestimmungen (etwa der sog. Horizontal-Leitlinien der EU-Kommission) im Einzelfall im Hinblick auf die wettbewerblichen Auswirkungen auf den betroffenen Markt bewertet werden. Für die Durchführung dieser Prüfung sind grundsätzlich der Betreiber und die beteiligten Unternehmen verantwortlich (sog. Selbstveranlagung).

Wenngleich in diesem Zusammenhang keine Anmeldepflicht besteht (wie bei der Fusionskontrolle), ist darüber hinaus zu empfehlen, vor der Inbetriebnahme eine Abstimmung mit dem Bundeskartellamt vorzunehmen. In diesem Zusammenhang sind verschiedene Vorgehensweisen möglich:

Lesen Sie dazu auch: Anspruch auf kartellbehördlichen "Comfort Letter" schafft mehr Rechtssicherheit bei Kooperationen