09.11.2020 | Arbeitsrecht
Individualvereinbarung zur Kurzarbeit – Mindestinhalte schützen vor Vergütungsklagen
Neben den mit der 2. Pandemiewelle wiederkehrenden Fragen betreffend der Einführung und Umsetzung von Kurzarbeit ist mittlerweile auch ein erhöhter Beratungsbedarf im Hinblick auf den Umgang mit Vergütungsklagen von Arbeitnehmern zu verzeichnen. Diese vertreten teilweise im Nachgang zu der ersten Kurzarbeitswelle im März und April diesen Jahres die Auffassung, dass die (individual-) vertragliche Vereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit unwirksam sei und damit ein Anspruch auf die vertragsgemäße Vergütung in voller Höhe auch für die Zeiten von Kurzarbeit bestehe.
Da mit der Einführung von Kurzarbeit die arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten (Arbeitszeit und Vergütung) nachträglich geändert werden, ist stets auch eine rechtliche Grundlage für diese Änderung notwendig. Eine einseitige Anordnung oder gar eine schlichte Information „am schwarzen Brett“ ist daher nicht ausreichend. Die Einführung von Kurzarbeit bedarf somit entweder einer kollektiv- oder aber individualvertraglichen Grundlage. Hierbei muss dem Arbeitnehmer überdies verdeutlicht werden, mit welchen Einschnitten er im Falle der Anordnung von Kurzarbeit rechnen muss.
Während bei Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen über die Einführung von Kurzarbeit bereits diesbezügliche Fragen betreffend den Beginn und die Dauer der Kurzarbeit, die Lage und Verteilung der Arbeitszeit sowie der von der Kurzarbeit betroffene Arbeitnehmerkreis ausdrücklich geregelt sind, bleiben (individual-) vertragliche Regelungen häufig dahinter zurück.
- Zwar kann auch eine im Arbeitsvertrag vereinbarte Klausel betreffend die Möglichkeit zur einseitigen Anordnung von Kurzarbeit wirksam sein. Welche Anforderungen allerdings an eine solche Regelung zu stellen sind, ist bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden. Derzeit wird unter anderem vertreten, dass nur im Falle einer ausreichend bemessenen Ankündigungsfrist von einer Wirksamkeit und damit einer Verbindlichkeit ausgegangen werden kann. Eine wie auch immer zu bemessende Ankündigungsfrist erscheint hingegen insbesondere in Fällen von kurzfristig behördlich angeordneten Schließungen nicht praxisgerecht. Nicht praktikabel ist überdies die Forderung, in der Klausel bereits die Angabe des konkreten zeitlichen Umfangs der Kurzarbeit zu regeln. Solange hier keine höchstrichterliche Klärung betreffend der Mindestinhalte derartiger Klauseln vorliegt, kann aus Gründen der Vorsicht nur zu einer gesonderten Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer im konkreten Einzelfall geraten werden.
- Bei einer solchen individuellen Zusatzvereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit sollten daher in jedem Fall der Umfang, die Dauer und die Lage der Kurzarbeit schriftlich festgehalten und darüber hinaus Ausführungen zu der verringerten Vergütung getroffen werden. Nur in einem solchen Falle lässt sich vertreten, dass sich der jeweilige Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Abschlusses einer solchen Vereinbarung über deren Auswirkungen auf sein Arbeitsverhältnis im Klaren war.
Nicht zwingend geboten, jedoch aus Arbeitgebersicht vorteilhaft ist die Aufnahme weiterer Regelungen für die Berechnung des dem Arbeitnehmer während der Kurzarbeit zustehenden Urlaubsentgelts für den vertraglichen Zusatzurlaub sowie Regelungen zum Schicksal weiterer Sonderleistungen wie Boni oder Provisionen. Sofern der Arbeitnehmer dies akzeptieren sollte, ist in einer derartigen Vereinbarung sogar zumindest dem Grunde nach eine Regelung denkbar, wonach es bei Entfall der gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld bei der verringerten Arbeitszeit und damit bei der entsprechend reduzierten Vergütungszahlung bleibt. Zu einer derartigen Situation kommt es zumeist dann, wenn der Arbeitnehmer während des Bezugs von Kurzarbeitergeld selbst eine Kündigung ausspricht bzw. gekündigt wird. In diesen Fällen ist die Kurzarbeit nach den gesetzlichen Regelungen nicht mehr förderungsfähig und führt dies dazu, dass der Arbeitgeber bis zum Ablauf der Kündigungsfrist wieder die ungekürzte Vergütung und der Arbeitnehmer die volle Arbeitsleistung schuldet. Ob hingegen eine derartige Regelung tatsächlich einer gerichtlichen Wirksamkeitskontrolle standhält, bleibt abzuwarten.
Aus der Sicht eines Arbeitgebers bedeutet der oben skizzierte Weg über eine Individualvereinbarung zwar ein erhöhtes Maß an administrativem Aufwand. Er stellt jedoch gleichzeitig den sichersten Weg dar, um sich vor unerwünschten Zahlungsklagen zu schützen. Die Kernpunkte einer solchen Vereinbarung lassen sich auch ohne tiefergehende Fachkenntnisse anhand folgender Frage ermitteln: „Wie wirkt sich die Kurzarbeit zeitlich und finanziell für den individuellen Arbeitnehmer im Vergleich zu seinem Normalarbeitsverhältnis aus und wie lange muss er diese Einschnitte hinnehmen?“