06.11.2020 | Bau- und Immobilienrecht
Nach der Entscheidung des EuGH vom 4. Juli 2019 zum Verstoß gegen EU-Recht durch Mindest- und Höchstsätze hat der Gesetzgeber nun den Grundstein für die Änderung der HOAI gelegt. Auf Initiative der berufsständischen Vereinigungen wurde in § 1 Abs. 1 ArchLG die Formulierung „zur Ermittlung angemessener Honorare“ aufgenommen. Hintergrund ist der Wunsch, auch ohne Mindest- und Höchstsätze deutlich zu machen, dass sich qualitätssichernde und faire Honorare an den Vorgaben der HOAI orientieren. Aus Sicht der Architekten und Ingenieure bedauerlich ist, dass die HOAI selber keine Regelung enthält, wonach vereinbarte Honorare einer Angemessenheitsprüfung unterliegen.
Der Referentenentwurf zur HOAI ist bereits seit August dieses Jahres bekannt. Dieser wird nun mit wenigen Änderungen in der von der Bundesregierung am 16.09.2020 beschlossenen Fassung umgesetzt. Inhaltlich bedeutet dies:
- Mindest- und Höchstsätze fallen weg. Für den Fall, dass keine Honorarvereinbarung getroffen wurde, gibt es einen „Basishonorarsatz“, auf den zurückgegriffen wird und der dem bisherigen Mindestsatz entspricht.
- Die Honorartafeln werden beibehalten; sie haben in Zukunft aber lediglich Orientierungsfunktion.
- Basishonorarsatz und Orientierungsfunktion werden, anders als noch im ersten Entwurf des Gesetzes, in einem eigenständigen § 2a geregelt.
- Für Honorarvereinbarungen gibt es keine Beschränkung durch Mindest- oder Höchstsätze mehr. Es bleibt jedoch dabei, dass die Honorarvereinbarung Formvorgaben unterliegt. In Zukunft gilt hier die Textform. Gleichzeitig entfällt das Erfordernis der Vereinbarung „bei Auftragserteilung“. Dadurch sind nun auch Änderungen der Honorarvereinbarung – bei Wahrung der Textform – nach Vertragsabschluss problemlos möglich.
- Ob die Regelungen der HOAI gelten sollen, kann in Zukunft frei vereinbart werden. Es ist auch möglich, nur Teile der HOAI aufzugreifen oder aber diese im Ganzen heranzuziehen und im Einzelnen davon abzuweichen.
- Die bisherigen Fälligkeitsregelungen in § 15 HOAI entfallen. Entgegen dem Referentenentwurf wird der Paragraf aber mit einem Verweis auf die Regelungen in § 650g Abs. 4 und § 632a BGB erhalten bleiben.
- Neu ist auch die Hinweispflicht bei Verbraucher-Bauherren. Nach § 7 Abs. 2 des Referentenentwurfs zur HOAI müssen diese vor Vertragsschluss darauf hingewiesen werden, dass ein Honorar über oder unter den Werten in der Honorartafel vereinbart werden kann.
Eindeutige Gewinner der neuen HOAI sind die Auftraggeber von Planungsleistungen. Ihnen stehen zukünftig deutlich mehr Spielräume für wirksame Honorarvereinbarungen zur Verfügung. Dies gilt für den Inhalt solcher Vereinbarungen, also insbesondere die Honorarhöhe, aber auch für den Zeitpunkt der Vereinbarung und deren Form. Die Gefahr, dass Honorarvereinbarungen unwirksam sind und Planer das Honorar nach den HOAI-Kriterien zum Mindestsatz berechnen können, ist nunmehr sehr gering. Das ist für Auftraggeber von Vorteil, da das Marktpreisniveau teilweise deutlich unter dem Mindestsatz liegt.
Ob Planungsbüros Verlierer der Neuregelung sind, wird die Anwendung der neuen HOAI zeigen müssen. Denn trotz der vermeintlich gewonnenen Freiheit durch die EuGH-Entscheidung lassen viele Auftraggeber weiterhin Honorarangebote von Architekten und Ingenieuren, die nach den Kriterien der HOAI ermittelt sind, zu oder verlangen solche sogar. Ob sich hieran etwas ändert, ist fraglich. Auch für den wichtigen Fall, dass keine Honorarvereinbarung getroffen wird, bleibt es bei der bisherigen Rechtslage: Es gilt der Mindestsatz als vereinbart.
Für Altfälle sind die Neuregelungen ohne Bedeutung. Es bleibt leider ein enormes Maß an Rechtsunsicherheit für alle Verträge, die bereits abgeschlossen sind oder bis Ende des Jahres abgeschlossen werden. Ob und in welchen Fällen sich der Planer bei solchen Verträgen auf die Unwirksamkeit einer Honorarvereinbarung berufen kann, ist höchst umstritten. Klarheit wird erst eine weitere EuGH-Entscheidung bringen, mit der allerdings frühestens im nächsten Jahr zu rechnen ist.