Wettbewerbsrecht – Möglichkeiten und Grenzen von Bewertungen im Internet

Erfahrungen mit Unternehmen und deren Angeboten können im Internet bewertet werden. Positive Bewertungen sind eine willkommene und zudem kostengünstige Werbung. Fällt eine Bewertung allerdings negativ aus, stellt sich für ein Unternehmen die Frage, wie es damit umgehen soll. Der folgende Beitrag gibt eine Orientierungshilfe.

Wettbewerbsrecht – Möglichkeiten und Grenzen von Bewertungen im Internet
Wettbewerbsrecht – Möglichkeiten und Grenzen von Bewertungen im Internet

07.01.2020 | IT-Recht und Datenschutz

Einführung

Bewertungsportale im Internet

Für nahezu jeden Lebensbereich gibt es spezielle eigene Bewertungsportale – die Bandbreite reicht von Ärzte-, Lehrer- und Arbeitgeber- über Restaurant-, Handwerker- und Vermieter- bis hin zu Bewertungsportalen für Produkte und Dienstleistungen aller Art. Bewertungen können nicht nur auf den jeweiligen Produkt- oder Firmenseiten der Anbieter abgegeben werden. Es hat sich ein eigener Markt von Anbietern entwickelt, deren Dienstleistung darin besteht, Bewertungsportale
für Angebote Dritter zu betreiben.

Online-Bewertungen als Fluch und Segen zugleich

Werden die Produkte eines Unternehmens von den Kunden positiv bewertet, können Bekanntheit und Umsatz durch diese Form der öffentlichen Empfehlung steigen. Entsprechendes gilt für die positive Bewertung durch Mitarbeiter: Teilen zufriedene Mitarbeiter die positive Einstellung zum Arbeitgeber nach außen mit, kann dies ein entscheidender Vorteil im Wettbewerb um Fachkräfte sein.

Im umgekehrten Falle einer negativen Bewertung nehmen Kunden von einer Bestellung möglicherweise Abstand; das nachteilig bewertete Unternehmen hat in Zeiten des Fachkräftemangels das Nachsehen um den besten Kandidaten. Unternehmen sehen sich mit öffentlichen Aussagen konfrontiert, mit denen sie nicht einverstanden sind. Seien es Kunden, die nachteilige Bewertungen über die Unternehmensinternetseite, externe Bewertungsportale oder soziale Medien abgeben, oder Wettbewerber, die z.B. Pressemeldungen herausgeben, in denen sie andere Unternehmen herabsetzen, um sich selbst besser dastehen zu lassen.

Möglichkeiten der Reaktion

Äußerungen werden über das Internet häufig schnell weiterverbreitet. Unternehmen müssen deswegen mitunter in kurzer Zeit auf die Äußerungen reagieren. Hier kann es sinnvoll sein, auf die Äußerungen „schlicht“ mit einem eigenen Statement zu antworten, um die möglichen Argumente zu entkräften. Sollte dies nicht möglich oder zielführend sein, stellt sich die Frage, ob die Löschung der Äußerungen verlangt werden kann. Zu dieser Frage sind mittlerweile auch etliche gerichtliche Entscheidungen ergangen, bis hin zum Bundesverfassungsgericht. Beispielhaft sollen die folgenden beiden Entscheidungen skizziert und eingeordnet werden.

Bundesverfassungsgericht: Wahre Behauptung über einen Sachverhalt, der bereits mehrere Jahre zurückliegt

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte über einen Fall zu entscheiden, der zuvor über zwei Instanzen das Landgericht und das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg beschäftigt hatte (BVerfG, Beschluss vom 29.06.2016, Az.: 1 BvR 3487/14):

Sachverhalt

Ein Unternehmer hatte eine Werkstattfläche gemietet. Nach Beendigung des Mietvertrages gab es einen Rechtsstreit über Rückzahlungsansprüche des Mieters. Die Parteien schlossen einen Vergleich, wonach sich der Vermieter zur Zahlung eines bestimmten Geldbetrages an den früheren Mieter verpflichtete. Nach einigen Monaten bot der Vermieter an, den Betrag in geringen monatlichen Raten zu zahlen. Der frühere Mieter lehnte das ab und erstatte Strafanzeige. Später erteilte der frühere Mieter einen Zwangsvollstreckungsauftrag gegen den Vermieter, woraufhin letztlich die Zahlung erfolgte. Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren anschließend ein.

Im Jahr 2012 stellte der frühere Mieter auf einem Internet- Portal, auf welchem Firmen gesucht und bewertet werden können, folgende Bewertung ein:

„Ende 2007 war ich leider gezwungen Herrn … bezüglich der Rückgabe meiner Mietkaution vor dem Amtsgericht Hamburg-Wandsbek zu verklagen. Im November 2008 bekam ich dann vom Amtsgericht … einen Titel, der Herrn … verpflichtete, 1.100 € an mich zu zahlen. Am 3.1.2009 bekam ich einen Brief von Herrn …, in dem er angeboten hat, die 1.100 € in 55 Monatsraten á 20 € zu bezahlen, da es ihm zur Zeit nicht möglich ist, die 1.100 € in einer Summe zu zahlen.


Erst nach Einschalten der Staatsanwaltschaft … und dem zuständigen Gerichtsvollzieher hat Herr … dann Ende Februar 2009 gezahlt. Mit Herrn … werde ich bestimmt keine Geschäfte mehr machen.

[Name des früheren Mieters], Hamburg“

Der frühere Vermieter war über diese Bewertung wenig erfreut und forderte gerichtlich die Unterlassung dieser Äußerungen. Sowohl das Landgericht Hamburg als auch das Hanseatische Oberlandesgericht gaben der Unterlassungsklage zunächst statt. Zwar seien die Äußerungen wahr, allerdings verletzten sie das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Vermieters, weswegen die Meinungsfreiheit im Rahmen eines Abwägungsprozesses hier zurücktreten müsse. Die Auswirkungen der Äußerungen seien, auch angesichts dessen, dass mittlerweile drei Jahre vergangen seien, zu gravierend, so dass der Unterlassung stattzugeben sei.

Entscheidung

Das Bundesverfassungsgericht teilte diese Auffassung nicht und hob die Entscheidungen der Instanzgerichte auf. Die angegriffenen Äußerungen des früheren Mieters seien wahre Tatsachenbehauptungen, die den Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 des Grundgesetzes genießen. Es sei ein öffentliches Informationsinteresse möglicher Kundinnen und Kunden des Vermieters zu bejahen. Auch dass die Bewertung erst drei Jahre nach Einstellung des Strafverfahrens erfolgte, führe nicht dazu, dass das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Vermieters überwiege. So befand das Bundesverfassungsgericht:

„Es würde den Beschwerdeführer unverhältnismäßig in seiner Meinungsfreiheit einschränken, wenn er nach einer solchen Zeitspanne im Rahmen einer subjektiven Bewertung des Geschäftsgebarens eines nach wie vor in gleicher Weise tätigen Gewerbebetreibers von ihm erlebte unstreitig wahre Tatsachen nicht mehr äußern dürfte. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Zeitpunkt der geschilderten Ereignisse klar erkennbar ist und dass die Äußerungen auf den Portalen als Bewertung veröffentlicht wurden.“

Auch eine Bewertung, die einen seit drei Jahren vergangenen Sachverhalt aufnimmt, muss daher von einem gewerblich Tätigen hingenommen werden.

Landgericht Hamburg: Wahre Äußerung, die nicht bewiesen werden kann

Zu der wettbewerbsrechtlichen Frage, ob ein Unternehmen die Äußerung eines Wettbewerbers hinnehmen muss, die dieser nicht beweisen kann, hat das Landgericht Hamburg in einem kürzlich veröffentlichten Urteil folgende Entscheidung getroffen (LG Hamburg, Urteil vom 09.07.2019, Az.: 406 HKO 22/19):

Sachverhalt

Die beteiligten Unternehmen bieten jeweils die Zertifizierung und Erteilung von Gütesiegeln für Biomineralwasser an. Das eine Unternehmen gab Pressemitteilungen heraus, in welchen u.a. das Siegel des anderen Unternehmens als „Schein-Bio-Siegel“ bezeichnet wurde. Zudem wurde dem anderen Unternehmen unterstellt, die Zertifizierung und Voraussetzungen des Siegels würden für jeden Kunden individuell angepasst.

Das betroffene Unternehmen forderte die Unterlassung dieser Äußerungen. Letztlich klagte es dagegen und forderte Schadensersatz von dem veröffentlichenden Unternehmen.

Entscheidung

Das Landgericht Hamburg hat die weitere Verbreitung der beiden genannten Äußerungen im Ergebnis untersagt. Das Unternehmen, welches die Pressemitteilungen veröffentlicht hatte, darf diese Behauptungen demnach so nicht weiter aufstellen.

Zwar gelte auch für Unternehmen grundsätzlich die Meinungsfreiheit. Allerdings sind zwischen Unternehmen die wettbewerbsrechtlichen Besonderheiten zu beachten. Äußerungen über Mitbewerber können unlauter und damit rechtswidrig sein, wenn sie die geschäftlichen Verhältnisse des Mitbewerbers herabsetzen oder verunglimpfen. Dies gelte auch für belastende Tatsachenbehauptungen, die nicht erwiesenermaßen wahr sind. Nach den Regelungen des Wettbewerbsrechts liegt die sog. Darlegungs- und Beweislast für die Wahrheit von Behauptungen bei dem Äußernden. Das Landgericht Hamburg stufte die genannten Aussagen als Tatsachenbehauptungen ein, weil grundsätzlich überprüfbar sei, ob die Angaben stimmten oder nicht. Im konkreten Fall konnte das Unternehmen aber nicht beweisen, dass die zulasten des Wettbewerbers aufgestellten Behauptungen tatsächlich zutrafen. Aufgrund dieses fehlenden Nachweises wurde das Unternehmen verurteilt, die Aussagen nicht zu wiederholen (LG Hamburg, Urteil vom 09.07.2019, Az.: 406 HKO 22/19).

Einordnung

Die genannten Entscheidungen finden sich in einer ganzen Reihe von gerichtlichen Urteilen und Beschlüssen wieder, die sich mit der Thematik Meinungsfreiheit, Tatsachenbehauptungen und (Unternehmens-)Persönlichkeitsrecht beschäftigen. Bundesweit haben sich etliche Gerichte mit einer Vielzahl von Sachverhalten sowohl zu Bewertungen von (vermeintlich) benachteiligten Kunden als auch Äußerungen unzufriedener Mitarbeiter sowie den Behauptungen von konkurrierenden Unternehmen befasst. Nach diesen Entscheidungen kann man zusammengefasst davon ausgehen, dass unwahre Tatsachenbehauptungen, reine Beleidigungen und sog. Schmähkritik grundsätzlich unzulässig sind. Wahre Tatsachenbehauptungen hingegen sind weitestgehend hinzunehmen, selbst wenn sie frühere und mittlerweile abgeschlossene Sachverhalte betreffen. Äußerungen einer Meinung, also einer subjektiven Einschätzung zu Themen, sind im Rahmen der Meinungsfreiheit sehr weitgehend geschützt und damit ebenfalls weitestgehend zulässig.

Die oben skizzierte Entscheidung des Landgerichts Hamburg bringt insofern eine neue Note in die Diskussion, als dass es hier um Tatsachenbehauptungen ging, die möglicherweise zwar wahr waren, aber aufgrund der wettbewerbsrechtlichen Regelungen als nicht erwiesenermaßen wahr angesehen wurden. Ob sie tatsächlich wahr waren oder aber bewusst unwahr aufgestellt wurden, hat hier nicht den Ausschlag gegeben. Das äußernde Unternehmen muss also möglicherweise richtige Behauptungen aufgrund der wettbewerbsrechtlichen Eigenheiten unterlassen.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass Unternehmen sowohl von Kunden als auch von Wettbewerbern keine Äußerungen hinnehmen müssen, die schlicht falsch sind oder das Unternehmen bewusst bloß herabwürdigen. Falsche Behauptungen und reine sog. Schmähkritik, also schlichte Beleidigungen, sind und bleiben unzulässig. Meinungen, die sich nicht allein in Tatsachenbehauptungen erschöpfen, sondern subjektive Wertungen enthalten, sind weitgehend zu akzeptieren, auch wenn man selbst anderer Meinung sein sollte. Bei wahren Tatsachenbehauptungen ist – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Entscheidung des
Landgerichts Hamburg – maßgeblich, von wem und in welchem Kontext sie getätigt wurden. Gegebenenfalls ist hier zu prüfen, inwiefern über das Wettbewerbsrecht auch bei wahren Tatsachenbehauptungen, die nachteilig für das eigene Unternehmen sein können, gegen die Äußerungen vorgegangen werden kann.