Verkehrssicherungspflichten: Risiko des Bauherrn?

 Steffen Krämer

Steffen Krämer

Wer trägt beim Bau die Verkehrssicherungspflicht? Nach einem Unfall sucht jeder die Schuld beim Anderen. Oft trifft es den Bauherrn. Aber nicht immer.

Verkehrssicherungspflichten: Risiko des Bauherrn?
Verkehrssicherungspflichten: Risiko des Bauherrn?

06.08.2019 | Bau- und Immobilienrecht

Sachverhalt

Wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten begehrt der Kläger von dem Bauherrn und dessen Architekten Schadensersatz. Der Kläger war am Unfalltag mit den Innenausbauarbeiten beim Umbau eines Gebäudes des Bauherrn (Beklagter zu 2) beschäftigt. Der Architekt (Beklagter zu 1) hatte das Bauvorhaben im Auftrag des Bauherrn geplant und führte die Bauaufsicht. Als der Kläger Arbeiten im Treppenhaus ausführte, brach er durch eine Holzabdeckung über dem Treppenauge, stürzte vier Meter in die Tiefe und zog sich erhebliche Verletzungen zu.

Der Kläger wirft dem Bauherrn und dessen Architekten die Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflichten vor. Er behauptet, die Holzabdeckung sei unfachmännisch durch ein nicht qualifiziertes Unternehmen errichtet worden. Die Beklagten hätten die Konstruktion in Kenntnis dieser Tatsache über Monate geduldet, ohne sich der Tragfähigkeit zu vergewissern.

Entscheidung

Während das Landgericht den klägerseitigen Anträgen im Wesentlichen stattgab und das OLG die Berufungen der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückwies, stellte der BGH auf die Nichtzulassungsbeschwerden in seinem Beschluss vom 18.12.2018 (Az.: VI ZR 34/17) klar, dass dem Bauherrn eine Verkehrssicherungspflichtverletzung derzeit nicht vorzuwerfen sei. Hierbei knüpft der BGH an seine ständige Rechtsprechung zu Verkehrssicherungspflichten an (BGH, Urteil vom 31.10.2006 – VI ZR 223/05). Während der Bauausführung ist jeder Bauunternehmer primär selbst zur Verkehrssicherung verpflichtet. Den Architekten trifft – ebenso wie den ihn beauftragenden Bauherrn – lediglich eine sekundäre Verkehrssicherungspflicht. Das bedeutet, dass beide nur dann dazu verpflichtet sind, schadensvermeidende Vorkehrungen zu treffen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Bauunternehmer nicht genügend sachkundig oder zuverlässig ist, wenn er selbst Gefahrenstellen erkannt hat oder bei Beobachtung der ihm obliegenden Sorgfalt hätte erkennen können.

Allerdings hat der BGH bereits mehrfach entschieden (BGH, Urteil vom 31.05.2994 – VI ZR 233/93; Urteil vom 09.03.1982 – VI ZR 220/80), dass der Bauherr von seiner Verantwortung für die verkehrssichere Errichtung eines Bauwerks weitgehend dadurch befreit wird, dass er einen Architekten mit der Planung und Bauleitung beauftragt hat. Das gilt nur dann nicht, wenn er bei einer von ihm selbst erkannten oder erkennbaren Gefahrenlage keine Abhilfe schafft.

Die Kenntnis oder Erkennbarkeit einer Gefahrenlage konnte dem Bauherrn im zu entscheidenden Fall nicht nachgewiesen werden. Es lagen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass der Bauherr konkret wusste, wer die Konstruktion errichtet hatte. Zudem durfte er sich darauf verlassen, dass der von ihm mit der Bauleitung und -aufsicht beauftragte Architekt Sorge dafür trägt, dass die Gewerke auf der Baustelle allesamt von Fachunternehmen durchgeführt werden.

Praxishinweis

Die Entscheidung stellt die Verkehrssicherungspflichten der am Bau Beteiligten ins Verhältnis. Zudem behandelt sie die Frage, wer die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Kenntnis oder Erkennbarkeit einer Gefahrenlage trägt. Solange keine Anhaltspunkte für die Kenntnis oder Erkennbarkeit einer Gefahrenlage beim Bauherrn bestehen, kann er sich hinter dem von ihm beauftragten bauüberwachenden Architekten „verstecken“. Dessen Anforderungen an die Beachtung etwaiger Verkehrssicherungspflichten sind im Verhältnis höher einzustufen. Gleichwohl ist auch in Zukunft keine pauschale Einordnung möglich. Die konkrete Bewertung bleibt eine Frage des Einzelfalls.