05.07.2019 | Bau- und Immobilienrecht
Wir stellen Ihnen in einer Serie von Beiträgen die Auswirkungen der Entscheidung vom EuGH über das Ende der HOAI vor. Weitere Beiträge finden Sie unten.
Der EuGH hat am 04.07.2019 entschieden, dass die verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der HOAI gegen Europarecht verstoßen, und zwar gegen Art. 15 Dienstleistungsrichtlinie (Richtlinie 2006/123/EG). Die HOAI bleibt allerdings so lange existent, bis der deutsche Gesetzgeber reagiert. Welche Konsequenzen dies für anhängige Honorarklagen von Architekten und Ingenieuren hat, hängt von der jeweiligen Konstellation ab.
Haben die Parteien den Mindestsatz gemäß HOAI vertraglich vereinbart, können Architekten und Ingenieure im Rahmen ihrer Mindestsatzklage nach wie vor den Mindestsatz verlangen. Hieran ändert die EuGH-Entscheidung nichts.
Haben Architekten und Ingenieure mit ihren Vertragspartnern hingegen ein Honorar unterhalb des Mindestsatzes der HOAI vereinbart, sind ihre anhängigen Mindestsatzklagen abzuweisen, soweit der Mindestsatz das vereinbarte Honorar übersteigt. Grund hierfür ist, dass der EuGH die unmittelbare Wirkung von Art. 15 Dienstleistungsrichtlinie anerkannt hat (Rechtssache C-360/15, C-31/16), sodass deutsche Gericht die „verbindlichen“ Mindestsätze der HOAI nicht mehr anwenden dürfen. Es mag kritikwürdig sein, dass der EuGH damit eine sog. unmittelbare Horizontalwirkung des Art. 15 Dienstleistungsrichtlinie anerkennt. Diese EuGH-Rechtsprechung ist aber verbindlich und von deutschen Gerichten zu beachten. Inzwischen hat der EuGH eine unmittelbare Horizontalwirkung von EU-Richtlinienbestimmungen schon in mehreren Ausnahmefällen anerkannt (z.B. Rechtssache C-555/07). Mit dieser Rechtsprechung lässt sich auch die unmittelbare Horizontalwirkung von Art. 15 Dienstleistungsrichtlinie in Einklang bringen. In der Praxis bedeutet das, dass deutsche Gerichte bei einer Mindestsatzklage von Architekten und Ingenieuren nur das vereinbarte Honorar und nicht den Mindestsatz nach HOAI zusprechen dürfen.
Haben Architekten und Ingenieure mit ihren Vertragspartnern für ihre Planungsleistungen kein Honorar vereinbart, kann im Rahmen der anhängigen Mindestsatzklage von deutschen Gerichten nur noch die übliche Vergütung gemäß § 632 Abs. 2, Var. 2 BGB zugesprochen werden. Auf eine taxmäßige Mindestvergütung gemäß HOAI haben die Architekten und Ingenieure keinen Anspruch, weil das Gericht die Mindestvergütungssätze der HOAI nicht mehr anwenden darf. Die übliche Vergütung gemäß § 632 Abs. 2 BGB wird voraussichtlich nicht mit den Mindestsätzen der HOAI gleichgesetzt werden dürfen, weil hierdurch unter Verstoß gegen Art. 15 Dienstleistungsrichtlinie letztlich wieder eine gesetzliche Mindestvergütung nach HOAI eingeführt würde. Aufgrund richtlinienkonformer Auslegung des § 632 Abs. 2 Var. 2 BGB ist für die übliche Vergütung daher aller Voraussicht nach auf die tatsächlich gezahlten, üblichen Honorare abzustellen, die in der Praxis vielfach unter den Mindestvergütungssätzen der HOAI liegen.
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