08.05.2019 | Bau- und Immobilienrecht
Bevor der Auftraggeber bei Mängeln in die Ersatzvornahme gehen oder Schadensersatz verlangen kann, muss bekanntlich eine Mangelanzeige an den Unternehmer erfolgen. Ferner bekannt ist, dass der Unternehmer auch dann für Mängel haftet, wenn diese nur infolge eines mangelhaften Vorgewerks entstehen; nämlich dann, wenn er diesen Mangel bei gebotener Prüfung hätte erkennen können.
Der Fall (vereinfacht):
Einige Jahre nach Fertigstellung und Abnahme der durch verschiedene Unternehmer ausgeführten Arbeiten bemerkt der Bauherr Feuchtigkeitserscheinungen am Mauerwerk. Er setzt dem ausführenden Fassadenbauer eine Frist zur Mangelbeseitigung.
Es stellt sich heraus, dass im Übergangsbereich zwischen einer Rollladenführungsleiste eines Fensters und der dort im Eckbereich ausgeführten Klinkerrollschicht eine offene Übergangsfuge besteht. Die erforderliche Folienabdichtung hätte der Fensterbauer ausführen müssen.
Der Bauherr nimmt den Fassadenhersteller in Regress wegen der angefallenen Mangelfolgeschäden und Verfahrenskosten
Die Entscheidung:
Das Landgericht gibt dem klagenden Bauherrn in vollem Umfang statt. Das OLG Oldenburg (Urteil vom 21.08.2018 - 2 U) folgt dem zwar im Ergebnis, aber mit einer zu beachtenden „Differenzierung“ (um nicht zu sagen „Umweg“):
Es wird zunächst bestätigt, dass der Fassadenhersteller haftet, weil er auf einer mangelhaften Vorunternehmerleistung aufgebaut ohne einen Bedenkenhinweis zu erteilen. Die Mangelfolgeschäden (Maler- und Reinigungsarbeiten) seien als Schadensersatz neben der Leistung ohne Weiteres ersatzfähig. Die weiteren Verfahrenskosten seien allerdings ein echter Mangelschaden, da diese durch die Nacherfüllung hätten vermieden werden können. Voraussetzung für einen Anspruch insoweit sei daher eine wirksame Mangelanzeige.
An einer solchen fehle es hier! Der Unternehmer könne in diesen Fällen die Nacherfüllung erst dann erbringen, wenn der Bauherr ihm die geänderte und nunmehr fehlerfreie Vorunternehmerleistung (hier also die Abdichtung durch den Fensterbauer) als Arbeitsgrundlage zur Verfügung stelle. Solange der Bauherr diese erforderliche Mitwirkungshandlungen nicht vorgenommen oder jedenfalls angeboten habe, sei eine Mangelanzeige „wirkungslos“.
Das OLG erkennt den Anspruch dem Bauherrn aber im Ergebnis trotzdem zu, weil der Auftragnehmer es versäumt habe, die Mangelanzeige vor Ort zu prüfen und den Auftraggeber auf die (Fremd-) Ursache des Mangels hinzuweisen!
Praxishinweise:
Auch wenn an der Entscheidung des OLG Einiges fraglich ist (Verfahrenskosten als echter Mangelschaden? Pflicht zur Prüfung und Aufklärung über die Ursache?) bleibt festzuhalten, dass nach Auffassung des Gerichts eine wirksame Mängelanzeige voraussetzen soll, dass der Auftraggeber die Beseitigung des Mangels des Vorgewerks anbietet. Dies war bisher so nicht bekannt!
Es ist Auftraggebern daher künftig anzuraten, einen solchen Satz rein vorsorglich („pro forma“) in jede Mangelanzeige aufzunehmen. Auftragnehmer hingegen können das Urteil zum Anlass nehmen, die Wirksamkeit von Mangelanzeigen anzuzweifeln. Dennoch muss in solchen Fällen eine Prüfung der Mangelanzeige erfolgen.