16.04.2019 | Arbeitsrecht
Das Problem
Die Klägerin war bei der Beklagten als Assistentin der Geschäftsleitung tätig und befand sich u.a. im Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis zum 15. Dezember 2015 ununterbrochen in Elternzeit. Im März 2016 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten und verlangte, ihr für den Zeitraum bis zum Ablauf der Kündigungsfrist Urlaub zu gewähren. Dabei sollten die während der Elternzeit entstandenen Urlaubsansprüche mit einbezogen werden. Mit Schreiben vom 4. April 2016 gewährte die Beklagte der Klägerin zwar Urlaub, lehnte die Gewährung des auf die Elternzeit entfallenden Urlaubs allerdings ab. In dem Schreiben hieß es insoweit u.a.: „Frau N verfügt unter Berücksichtigung der Mutterschutzfristen über einen Resturlaub von 21 Werktagen (Stand 04.04.2016)“.
Die Klägerin machte daraufhin gerichtlich die Abgeltung von zuletzt 89,5 Arbeitstagen Urlaub aus dem Zeitraum ihrer Elternzeit geltend. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.
Die Entscheidung
Die Klägerin hatte mit ihrer Klage auch vor dem Bundesarbeitsgericht keinen Erfolg. Die Kürzung des Urlaubsanspruchs der Klägerin durch die Beklagte für jeden vollen Monat der Elternzeit um ein Zwölftel sei gemäß § 17 Abs. 1. S. 1 BEEG wirksam.
Möchte ein Arbeitgeber von seiner gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG eingeräumten Befugnis Gebrauch machen, den Erholungsurlaub für jeden vollen Monat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen, sei es ausreichend, dass für den Arbeitnehmer erkennbar ist, dass der Arbeitgeber von der Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen will.
Die Kürzung des gesetzlichen Mindesturlaubs verstoße auch nicht gegen Unionsrecht. Das Unionsrecht verlange nach der Rechtsprechung des EuGH insbesondere nicht, Arbeitnehmer, die wegen Elternzeit im Bezugszeitraum nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet waren, Arbeitnehmern gleichzustellen, die in diesem Zeitraum tatsächlich gearbeitet haben. Der Zweck des bezahlten Jahresurlaubs liege darin, Arbeitnehmern zu ermöglichen, sich von der tatsächlich geleisteten Arbeit zu erholen und zu entspannen. Da der Arbeitnehmer während der Elternzeit keine Arbeitsleistung erbringt, könne der bezahlte Jahresurlaub insoweit gekürzt werden.
Auswirkungen für die Praxis
Das Urteil des BAG kommt – vor dem Hintergrund einer aktuellen Rechtsprechung des EuGH – wenig überraschend. Der EuGH hat bereits im Oktober 2018 entschieden, dass eine nationale Regelung, wonach bei der Berechnung der Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub ein Zeitraum des Elternurlaubs bzw. der Elternzeit unberücksichtigt bleibt, europarechtlichen Anforderungen genügt (EuGH v. 04.10.2018, C-12/17). Dennoch sollte die Entscheidung des BAG aufmerksam zur Kenntnis genommen werden.
Arbeitgebern ist zu raten, die Kürzung des Urlaubsanspruchs für Zeiten der Elternzeit unmissverständlich und schriftlich gegenüber dem Arbeitnehmer zu erklären. Zudem sollte aus Nachweisgründen der Empfang der Kürzungserklärung vom betreffenden Arbeitnehmer bestätigt und dokumentiert werden. Die Kürzung kann vor, während oder nach dem Ende der Elternzeit erklärt werden. Eine Kürzung des Urlaubs kann allerdings wohl nicht schon vor dem Antrag auf Elternzeit erfolgen. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist daher davon abzuraten, eine Kürzung des Urlaubsanspruchs für Zeiten der Elternzeit allein auf Grundlage einer entsprechenden arbeitsvertraglichen Klausel vorzunehmen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass eine nachträgliche Kürzung des Urlaubsanspruchs nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich ist.
Die Entscheidung des BAG sollte Arbeitgeber allerdings nicht dazu verleiten, den bezahlten Jahresurlaub auch in anderen Fällen, in denen keine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbracht wird, zu kürzen. Dies gilt insbesondere für Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz oder längerer Arbeitsunfähigkeit. Der EuGH hat insoweit ausdrücklich klargestellt, dass das Recht auf bezahlten Jahresurlaub in diesen Konstellationen gewährleistet bleiben muss