17.01.2019 | Gesellschaftsrecht
Sachverhalt
Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hatte in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes inzident darüber zu entscheiden, ob die formell ordnungsgemäße Ladung zur GmbH-Gesellschafterversammlung im konkreten Fall rechtsmissbräuchlich war und so zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse führte (Urteil des OLG Düsseldorf vom 19.04.2018, Az. I-6 W 2/18).
Der Kläger war ursprünglich Geschäftsführer und Gesellschafter der beklagten GmbH. Er hatte eine Mitgesellschafterin und Mitgeschäftsführerin Frau B., zu der eine private Beziehung bestand. Später nahmen die beiden Gesellschafter eine in Abu Dhabi ansässige Gesellschaft als dritte Gesellschafterin auf, deren Geschäftsführer Herr D. zum Mitgeschäftsführer der Beklagten bestellt wurde. Aufgrund des Scheiterns der privaten Beziehung zu Frau B. und damit einhergehender persönlicher Differenzen gab der Kläger Anfang des Jahres 2015 das Geschäftsführeramt bei der Beklagten auf, zog aus der gemeinsamen Wohnung mit Frau B. aus und begab sich mit einem Segelboot „auf große Fahrt“. Einen festen Wohnsitz hatte der Kläger seitdem nicht mehr. Allen Beteiligten war bekannt, dass sich der Kläger nun für längere Zeit auf Segelreise befinden würde.
Am 31.08.2016 fand eine Gesellschafterversammlung statt, zu der der Kläger mit einem Schreiben vom 28.07.2016 unter einer Postfachanschrift in Abu Dhabi geladen wurde. Der Kläger nahm an dieser Gesellschafterversammlung nicht teil. Mit den Stimmen der beiden anderen Gesellschafterinnen wurden in dieser Gesellschafterversammlung die Einziehung der Geschäftsanteile des Klägers, der Untergang dieser Geschäftsanteile und die Schaffung neuer Geschäftsanteile, die von der Beklagten als eigene Anteile übernommen und gehalten werden sollten, beschlossen. Vor dem Hintergrund dieser Beschlussfassungen wurde eine geänderte Gesellschafterliste beim Registergericht hinterlegt.
Der Kläger beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der das Amtsgericht angewiesen werden sollte, der Gesellschafterliste der Beklagten seinen Widerspruch gegen die Gesellschafterstellung der Beklagten zuzuordnen.
Entscheidung
Das OLG Düsseldorf entschied in zweiter Instanz zugunsten des Klägers. Nach Ansicht des Gerichts war die Einladung des Klägers zur Gesellschafterversammlung vom 31.08.2016 zwar formell ordnungsgemäß, sie war jedoch rechtsmissbräuchlich, da sie einer Nichtladung des Klägers gleichstand.
Die Satzung der Beklagten verlangte eine Ladung zur Gesellschafterversammlungen mit eingeschriebenem Brief an die der Gesellschaft zuletzt mitgeteilte Anschrift des Gesellschafters. Die Ladung des Klägers unter der Postfachanschrift in Abu Dhabi war formell nicht zu beanstanden, da es sich dabei um die der Gesellschaft zuletzt mitgeteilte Adresse handelte. Die Unerreichbarkeit unter dieser Anschrift habe sich der Kläger selbst zuzuschreiben, so das OLG Düsseldorf. Es sei grundsätzlich Sache eines jeden Gesellschafters, sich um seine Gesellschafterangelegenheiten zu kümmern. Hierzu gehöre auch die Mitteilung einer neuen bzw. abweichenden Anschrift an die Gesellschaft. Daher sei die Ladung zunächst als formell wirksam anzusehen.
Allerdings sah das OLG unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles die konkrete Ladung als rechtsmissbräuchlich und folglich die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung als nichtig an. Die Besonderheit des Falles bestand nach Ansicht des Gerichts darin, dass die Geschäftsführer der Beklagten wussten, dass die satzungskonform versandte Einladung den Kläger mit großer Wahrscheinlichkeit nicht erreichen würde, da der Kläger seine Angelegenheiten in Abu Dhabi abgewickelt hatte. Zugleich verfügten die Geschäftsführer der Beklagten über die Möglichkeit, den Kläger per E-Mail über die anstehende Gesellschafterversammlung zumindest in Kenntnis zu setzen. Die Parteien hatten bereits zuvor in anderem Zusammenhang über E-Mail korrespondiert.
Schließlich gab die beklagte Gesellschaft selbst an, dass bis zum Zeitpunkt des Zerwürfnisses mit dem Kläger zu den Gesellschafterversammlungen im Widerspruch zur Satzung der Beklagten stets „formlos“ geladen worden sei. Der Kläger wurde ferner nach dem Zerwürfnis, aber noch vor dem Antritt seiner Segelreise über eine andere Gesellschafterversammlung per E-Mail informiert. Hinzu kam, dass der Geschäftsführer der in Abu Dhabi ansässigen Gesellschafterin, Herr D., grundsätzlich per E-Mail zu Gesellschafterversammlungen der Beklagten geladen wurde.
Praxishinweis
Das Oberlandesgericht bestätigt den bekannten Grundsatz, dass jeder GmbH-Gesellschafter für seine Gesellschafterangelegenheiten grundsätzlich selbst verantwortlich ist und daher sicherzustellen hat, dass ihm die Ladungsschreiben der Gesellschaft an der zuletzt mitgeteilten Anschrift zugehen können. Zugleich verpflichtet es allerdings die Geschäftsführer dazu, die erkannte Nachlässigkeit eines Gesellschafters durch zusätzliche Anstrengungen aufzufangen, um die Wirksamkeit eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung zu gewährleisten.
Diese Entscheidung führt uns deutlich die Flexibilität unseres Rechtssystems und seine Fähigkeit vor Augen, auch ohne Gesetzesänderungen auf den immer schneller stattfindenden technischen Fortschritt zu reagieren. In seiner Entscheidung vom 09.11.1989, Az. 6 U 21/89, hatte das OLG Düsseldorf über einen ähnlich gelagerten Fall zu entscheiden. Auch in diesem Fall war der Gesellschafter mit einem Segelboot auf Weltreise und war für die Gesellschaft postalisch kaum zu erreichen. Das OLG Düsseldorf verneinte die Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses unter Berufung auf die Sorgfaltspflichten des Gesellschafters. Doch damals steckte die Erfolgsgeschichte der E-Mail noch in den Kinderschuhen.