05.12.2018 | Compliance & Internal Investigations, Gesellschaftsrecht
Zum Sachverhalt:
In einer aktuellen Entscheidung vom 10.07.2018 (Az.: II ZR 24/17) hat der Bundesgerichtshof sich detailliert mit dem sogenannten Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens im Organhaftungsrecht beschäftigt.
Dem Vorstand einer kommunalen Aktiengesellschaft wurde vorgeworfen, einen nach der Satzung der Gesellschaft zustimmungsbedürftigen Vorgang nicht erneut dem Aufsichtsrat zur Zustimmung vorgelegt zu haben, nachdem vom ursprünglich abgestimmten Geschäftszuschnitt deutlich abgewichen wurde. Es entstanden in der dann durchgeführten Maßnahmen deutlich mehr Kosten, auf die der Vorstand in Haftung genommen wurde. Er verteidigte sich mit dem Einwand, der Aufsichtsrat hätte dem Vorhaben auch zu den geänderten und letztlich vereinbarten Konditionen zugestimmt. Die geänderte Vorgehensweise sei mit dem Oberbürgermeister der Stadt und damit auch dem Alleinaktionär abgesprochen gewesen.
Die Entscheidungsgründe:
Der Bundesgerichtshof bejaht das Vorliegen einer Pflichtverletzung, weil der Vorstand nicht nochmalig die Zustimmung des Aufsichtsrats eingeholt hatte. Das Gericht eröffnet dem Vorstand aber auch die Möglichkeit einzuwenden, dass der Schaden auch bei Einholung der Aufsichtsratszustimmung entstanden wäre, weil der Aufsichtsrat in diesem – hypothetischen – Fall die Zustimmung erteilt hätte. In diesem Fall muss allerdings der Vorstand den Nachweis dafür erbringen, dass der Aufsichtsrat entweder zur Zustimmung verpflichtet gewesen wäre oder die Zustimmung so erteilt hätte.
Der Bundesgerichtshof begründet dies damit, dass auch bei Verstößen gegen Zustimmungsvorbehalte die Organhaftungsvorschrift des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG nicht den Charakter einer Sanktionsnorm bekommen soll – es handelt sich nach wie vor um einen Schadensersatzanspruch und nicht um einen Fall des Strafschadensersatzes.
Der hier vorgetragene Einwand, dass der Oberbürgermeister der Stadt in die Vorgehensweise eingebunden gewesen sei, führte aber nicht dazu, dass ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft aufgrund Rechtsmissbrauchs abzulehnen war. Denn das Aktiengesetz sieht für die Einbindung der Aktionäre spezielle – detailliert geregelte – Verfahrensweisen vor, die für eine Enthaftung des Vorstands auch einzuhalten sind.
Praxishinweis:
Selbst wenn sich gewisse Nachlässigkeiten über Jahre eingeschliffen haben oder die Zeit einmal drängt – die Missachtung von Zustimmungserfordernissen ist brandgefährlich für die Haftung von Geschäftsführern und Vorständen. Der Nachweis, dass das zustimmungspflichtige Organ der konkreten Maßnahme auch zugestimmt hätte, ist oftmals nicht zu führen – die Beweislast hierfür liegt beim Geschäftsführer/Vorstand. Vor diesem Hintergrund ist generell darauf zu achten, dass Zustimmungskataloge so präzise formuliert sind, dass Unklarheiten insoweit nicht bestehen sowie in der täglichen Arbeit, dass diese Zustimmungskataloge auch eingehalten werden.
Zudem sollten die konkreten Bedingungen der jeweiligen D&O-Versicherung auch diesem Fall in gesonderter Weise Rechnung tragen.