04.12.2018 | Compliance & Internal Investigations, Gesellschaftsrecht
Der Entscheidung liegt ein relativ komplexer Sachverhalt zugrunde: Der Beklagte hatte etwas mehr als ein Viertel des Grundkapitals einer börsennotierten Aktiengesellschaft erworben und war kurz darauf auch Vorsitzender des Aufsichtsrats der Klägerin geworden. Sodann leistete die Klägerin Zahlungen in Höhe von etwa 1,5 Mio. € an den Beklagten – unter Verstoß gegen das aktienrechtliche Verbot der Einlagenrückgewähr. Diese verbotene Zahlung hatte – freilich – Organhaftungsansprüche des Vorstands zur Folge, doch der Beklagte als Aufsichtsratsvorsitzender unternahm nichts, um darauf hinzuwirken, dass der Aufsichtsrat die aus diesen Zahlungen resultierenden Oganhaftungsansprüche der Gesellschaft gegen den Vorstand auch geltend macht. Die Ansprüche verjährten letztlich. Daraufhin nahm die Klägerin den Beklagten als Aufsichtsratsmitglied aus §§ 116 S. 1 iVm § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG auf Schadensersatz in Anspruch.
Zu den Gründen:
Der Bundesgerichtshof musste sich zunächst mit der Frage beschäftigen, ob in einem derartigen Fall die Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen Aufsichtsratsmitglieder bereits dann beginnt, wenn der Vorstand eine Pflicht verletzt, oder ob dies im vorliegenden Fall erst dann geschieht, wenn die (möglichen) Schadenersatzansprüche der Aktiengesellschaft gegen den Vorstand verjähren. Im Ergebnis kommt es aus der Sicht des Bundesgerichtshofs entscheidend darauf an, wann die Verletzung einer Pflicht (hier zur Verfolgung der Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand) zu einem Schaden der Gesellschaft geführt hat. Der Schaden besteht vorliegend darin, dass Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen den Vorstand nicht mehr durchgesetzt werden können, weil diese verjährt sind.
Dementsprechend begannen auch erst zu diesem Zeitpunkt die Schadensersatzansprüche gegen das Aufsichtsratsmitglied infolge der Verletzung der Anspruchsverfolgungspflicht zu verjähren.
In der Folge musste sich der Bundesgerichtshof noch mit der – hier speziellen – Frage beschäftigen, ob aufgrund der durch die Einlagenrückgewähr erfolgten Selbstbegünstigung eventuell der Fall anders zu bewerten gewesen wäre. Der Bundesgerichtshof verneinte dies mit ausführlicher Begründung.
Praxishinweis:
Der Bundesgerichtshof unterstreicht mit der vorliegenden Entscheidung nochmals die zentrale Bedeutung der ARAG/Garmenbeck-Rechtsprechung. Mit der jetzigen Entscheidung steht zudem fest, dass Pflichtverletzungen zu einer zeitlich auch extrem weit nach hinten ausgedehnten Haftung der Aufsichtsratsmitglieder führen können. Die Bedeutung der Überwachungs- und Verfolgungspflicht des Aufsichtsrats wird nochmals unterstrichen, sodass bei der Prüfung von möglichen Organhaftungsansprüchen gegen Vorstandsmitglieder höchste Sorgfalt geboten und dieser Rechtsprechung umfassend Rechnung zu tragen ist.