25.09.2018 | Bau- und Immobilienrecht
Prüfungs- und Hinweispflicht eines Werkunternehmers gegenüber dem Generalunternehmer, Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 27. Juni 2018 – 12 U 13/18 –, juris
1. Der Sachverhalt
Der beklagte Auftragnehmer wurde beauftragt, für eine Auftraggeberin, die als Bauunternehmen firmierte, Schlämm- und Putzarbeiten durchzuführen. Die Auftraggeberin selbst erstellte als Generalunternehmerin schlüsselfertige Häuser und führte auch die Maurerarbeiten an diesem Objekt selbst aus.
Bei Beauftragung fragte die Auftraggeberin nach dem üblicherweise verwendeten Putz; in Bestätigung der Wahl des Auftraggebers bestellte sie dieses Produkt.
Bereits unmittelbar nachdem die Auftraggeberin die durchgeführten Mauerarbeiten abgeschlossen hatte, forderte sie den Auftragnehmer auf, mit den beauftragten Putzarbeiten zu beginnen.
Da das Mauerwerk zu diesem Zeitpunkt noch feucht war, kam es zu Abplatzungen und Ausblühungen an sämtlichen Fassaden. Im Nachhinein wurde sachverständig festgestellt, dass das Auftragen von Verschlämmung bei Neubauten erst bei vollständig ausgetrocknetem Mauerwerk zu erfolgen habe und nur dann den Regeln der Technik entspreche.
2. Die Entscheidung
Das OLG Schleswig bürdete dem Auftragnehmer die volle Mängelhaftung auf.
Der Auftragnehmer haftet dann nicht für Mängel, wenn die mangelhafte Ausführung auf einer ausdrücklichen Anweisung des Auftraggebers beruhte und er auf Bedenken hingewiesen hatte. Auch ohne Bedenkenhinweis wird der Auftragnehmer von seiner Haftung frei, wenn ihm die Erteilung eines Hinweises nach den Umständen des Einzelfalls nicht zumutbar war. Insbesondere entfällt eine Hinweispflicht, wenn der Auftraggeber selbst über eine größere Fachkenntnis verfügt, auf die der Auftragnehmer vertrauen kann.
Das Gericht sah weder in der Tatsache, dass die Auftraggeberin als Bauunternehmerin tätig war, noch darin, dass sie die Mauerarbeiten selbst vorgenommen und das Material bestellt hatte, einen Anhaltspunkt, die Hinweispflicht des Auftragnehmers entfallen zu lassen: eine jahrelange Tätigkeit als Generalunternehmerin bei Schlüsselfertigbauten führe zu keiner besonderen Expertise in Bezug auf Putzfassaden, die Firmierung als Bauunternehmer lasse ebenfalls auf keine besondere Fachkunde schließen. Weder die Durchführung der Maurerarbeiten durch die Auftraggeberin noch deren Aufforderung zur unmittelbaren Anbringung der Putzfassade rechtfertigten einen Entfall der Hinweispflicht.
Der Auftragnehmer hätte nach Ansicht des Gerichts aus der Nachfrage der Auftraggeberin zur Materialwahl schließen müssen, dass die Klägerin über keine vertieften Kenntnisse verfügte und sei deshalb zum Hinweis verpflichtet gewesen.
Ein Mitverschulden der Auftraggeberin gemäß § 254 Abs. 1 BGB wegen Verstoßes gegen die ihr obliegende Prüfungs- und Koordinierungspflicht scheidet nach Ansicht des Gerichts aus, da dem Auftragnehmer wegen groben Verstoßes eine Berufung hierauf versagt sei.
3. Das Fazit
Will ein Unternehmer von seiner Haftung durch eine Hinweis- und Bedenkenanzeige frei werden, sollte er sich die strenge Rechtsprechung immer vor Augen halten und nicht auf eine etwaige Fachkunde des Auftraggebers vertrauen. Den Anforderungen der Rechtsprechung an eine die Hinweispflicht entfallen lassende Fachkunde sind denkbar hoch. Vorsorglich sollten Bedenken in Bezug auf Materialien und Bauabläufe gegenüber jedem Auftraggeber – und das lieber einmal zu viel als zu wenig – angemeldet werden.