19.07.2018 | Bau- und Immobilienrecht
Hintergrund
Nach § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB bedarf ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, der notariellen Beurkundung. Auch Änderungen oder Ergänzungen eines schon beurkundeten, aber noch nicht durch Auflassung (Einigung zur Übertragung des Eigentums) vollzogenen Grundstücksübertragungsvertrages sind grundsätzlich formbedürftig.
Sinn und Zweck des Formzwangs ist es zunächst, die Beteiligten vor unüberlegten, potenziell besonders bedeutsamen Rechtsgeschäften zu bewahren („Warnfunktion“). Zudem soll mit der Beurkundung durch einen Notar eine Beratung und Belehrung („Beratungsfunktion“) sowie darüber hinaus sichergestellt werden, dass die Erklärungen der Beteiligten eindeutig, richtig und vollständig fixiert werden („Klarstellungsfunktion“). Letztendlich ist mit dem besonderen Formerfordernis eine erhöhte Beweiswirkung verbunden („Beweisfunktion“), womit nicht nur dem Interesse der Beteiligten, sondern des Rechtsverkehrs im Allgemeinen Rechnung getragen wird.
In der Praxis wird im Rahmen der notariellen Beurkundung häufig die Auflassung von den Parteien erklärt und darüber hinaus bereits die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch bewilligt und beantragt. Allerdings wird der Notar regelmäßig angewiesen, den Antrag auf die Umschreibung des Eigentums erst beim Grundbuchamt einzureichen, wenn der Kaufpreis in voller Höhe beglichen worden ist.
In dieser Konstellation bedürfen – so die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) – Änderungen des Grundstücksübertragungsvertrages, die zeitlich der Auflassung nachfolgen, nicht der besonderen Form des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB. Denn mit der Auflassung sei die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung bereits in vollem Umfang erfüllt, so dass der Veräußerer auch nicht mehr vor einer übereilten Entschließung zur Grundstücksübertragung bewahrt werden müsse. Damit sei der gesetzgeberische Grund für das Formerfordernis zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gegeben.
Der Entscheidung des BGH haben sich einige Oberlandesgerichte angeschlossen. Das OLG Düsseldorf hält die Entscheidung (mit Einschränkungen) hingegen für nicht zutreffend. Ebenfalls kritisiert wird die Rechtsprechung des BGH in der überwiegenden Literatur.
Entscheidung des OLG Stuttgart
Das OLG Stuttgart hat sich mit Urteil vom 18. Juli 2017 (Az. 10 U 140/16) den kritischen Stimmen angeschlossen und entgegen der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden, dass Änderungen eines Grundstücksübertragungsvertrages auch dann gem. § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB der notariellen Beurkundung bedürfen, wenn der Änderungsvertrag nach Auflassung, aber noch vor Eigentumsumschreibung geschlossen wird.
Zur Begründung stützt sich das Gericht zunächst auf den Wortlaut des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB, dem kein Hinweis darauf zu entnehmen sei, dass Änderungen nach der Auflassung aber vor Eintragung in das Grundbuch formfrei erfolgen können.
Zudem spreche die Systematik der Vorschrift gegen eine Formerleichterung. Denn nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB wird ein ohne Beachtung der notariellen Form geschlossener Vertrag (nur dann) seinem ganzen Inhalt nach gültig, wenn die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgen.
Auch der Zweck des Beurkundungszwangs bleibe trotz der erfolgten Auflassung bestehen. Werde beispielsweise der Kaufpreis nachträglich reduziert, dieser Umstand aber nicht notariell beurkundet, lasse sich der Umfang der Zahlungspflichten kaum rechtssicher nachweisen. Außerdem werde die Warnfunktion und der damit verbundene Schutz des Veräußerers in diesem Fall unterlaufen. Letztendlich könne das Argument des BGH nicht überzeugen, dass die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung mit der Auflassung in vollem Umfang erfüllt sei und deshalb nach erklärter Auflassung nicht mehr bestehe. Denn faktisch werde der Notar einen Antrag auf Eigentumsumschreibung beim Grundbuchamt nicht einreichen, wenn sich der Käufer nachträglich auf den Standpunkt stellt, der Kaufpreis sei reduziert worden, dies jedoch vom Veräußerer in Abrede gestellt wird.
Praxishinweis
Die Entscheidung liegt dem BGH derzeit zur Überprüfung vor. Zwar lässt sich nicht rechtssicher voraussagen, ob der BGH der Argumentation des OLG Stuttgart folgen wird und damit seine bisherige Rechtsprechung aufgibt. Es sprechen jedoch gute Gründe für die Entscheidung des OLG Stuttgart und die damit verbundene Beurkundungspflicht bei Änderungen von Grundstücksübertragungsverträgen.
Bis zur Entscheidung des BGH, sollten Änderungen in jedem Fall beurkundet werden. Denn andernfalls besteht die Gefahr, dass nachträgliche Änderungen – z.B. in Form von Sonderwünschen bei Bauträgerverträgen – mangels notarieller Beurkundung unwirksam sind. Zum Teil wird sogar vertreten, dass eine wegen Verstoßes gegen § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB formnichtige Sonderwunschvereinbarung grundsätzlich dazu führt, dass der Bauträgervertrag insgesamt unwirksam wird. Um dies zu verhindern, wird eine notarielle Beurkundung zwingend empfohlen.