02.05.2018 | Venture Capital / M&A
Wird eine Kapitalerhöhung bei einer GmbH dadurch durchgeführt, dass neben der Erhöhung des Stammkapitals auf Grund eines zwischen den Gesellschaftern vorher oder gleichzeitig geschlossenen weiteren Vertrags (Beteiligungs- und Gesellschaftervereinbarung, Anm. d. Verf.) eine zusätzliche Einzahlung in die freie Kapitalrücklage der GmbH gem. § 272 II Nr. 4 HGB zu leisten ist, so bestimmt sich der Geschäftswert für die notarielle Beurkundung des Gesellschafterbeschlusses über die Kapitalerhöhung nicht nur nach dem in das Handelsregister einzutragenden Erhöhungsbetrag, also in Höhe der Stammkapitalerhöhung; vielmehr ist zu diesem Betrag der auf Grund des weiteren Vertrags einzuzahlende Betrag zu addieren. Der Geschäftswert darf jedoch 30.000 Euro nicht unterschreiten und 5.000.000 Euro nicht überschreiten (OLG München, Beschluss vom 26.2.2018 – 32 Wx 405/17 Kost – Leitsatz des OLG München).
Sachverhalt
Im Rahmen der Durchführung einer Finanzierungsrunde bei einer GmbH, ließen die Gesellschafter der GmbH und ein Investor zunächst eine Beteiligungs- und Gesellschaftervereinbarung beurkunden. In dieser verpflichtete sich der Investor gegenüber den Gesellschaftern zur Leistung einer Zuzahlung in die freie Kapitalrücklage der Gesellschaft in Höhe von ca. EUR 14. Mio.
Daran anschließend wurde die von der Gesellschafterversammlung beschlossene Kapitalerhöhung der GmbH beurkundet, durch die das Stammkapital der GmbH von EUR 526.340 um EUR 131.585 auf dann EUR 657.925 erhöht und der Investor durch Übernahme der neu geschaffenen Geschäftsanteile beteiligt wurde. Als Geschäftswert für die Notarkosten setzte der beurkundende Notar den Höchstwert von EUR 5 Mio. an (gem. § 108 Abs. 5 GNotKG). Der Notar war der Ansicht, dass die Beträge der Kapitalerhöhung und der Zuzahlung in Addition zugrunde zu legen wären. Die GmbH als Kostenschuldnerin war der Auffassung, dass der Betrag der Zuzahlung den Geschäftswert nicht hätte erhöhen dürfe.
Entscheidung
Das OLG München entschied, dass ein Zuzahlungsbetrag in die freie Kapitalrücklage der Gesellschaft bei der Kostenberechnung über den Geschäftswert des Kapitalerhöhungsbeschlusses zu berücksichtigen ist. Bei der Bestimmung des Geschäftswerts komme es maßgeblich auf den Wert des Rechtsgeschäfts an, das Beurkundungsgegenstand ist. Im vorliegenden Fall sei als Rechtsgeschäft der Beteiligungserwerb im Rahmen der Finanzierungsrunde anzusehen.
Der Gesellschafterbeschluss zur Kapitalerhöhung ermögliche es dem Investor, sich an der GmbH zu beteiligen. Der Wert dieser Beteiligung sei allerdings nicht nur der im Rahmen der Kapitalerhöhung zu leistende Nominalwert der zu übernehmenden Geschäftsanteile; vielmehr sei der zusätzlich zu leistende Betrag der auf Grund der Gesellschaftervereinbarung zu leistenden Zuzahlung in die freie Kapitalrücklage hinzuzuaddieren. Dies folge aus einer gebotenen kaufmännisch wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Denn der Wert der Beteiligung der übrigen Gesellschafter an der GmbH, würde sich bei Nichteinzahlung der Zuzahlung in die freie Kapitalrücklage deutlich verringern. Insofern sei davon auszugehen, dass die übrigen Gesellschafter den aus der Gesellschaftervereinbarung folgenden Anspruch auf Zuzahlung gegen den Investor durchsetzen werden.
Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, dass dieser Betrag bereits bei den Notarkosten für die Beurkundung der Gesellschaftervereinbarung berücksichtigt worden sei. Bei der Gesellschaftervereinbarung und dem Kapitalerhöhungsbeschluss handele es sich insoweit verschiedene Beurkundungsgegenstände.
Praxishinweis
Der Beschluss des OLG München hat insbesondere für Finanzierungen im Bereich Venture Capital große praktische Relevanz. Die dem Sachverhalt der Entscheidung zugrundeliegende Gestaltung ist typisch für Finanzierungsrunden bei Start-ups in der Rechtsform einer GmbH. Im Rahmen einer Beteiligungs- und Gesellschaftervereinbarung verpflichten sich Investoren üblicherweise zur Übernahme von Geschäftsanteilen an der GmbH zum Nominalwert sowie ausschließlich gegenüber den Gesellschaftern und nicht gegenüber der Gesellschaft auf rein schuldrechtlicher Basis zu einer Zuzahlung in die Kapitalrücklage der Gesellschaft.
Im Rahmen der Durchführung von Finanzierungsrunden wird typischerweise zunächst die Beteiligungs- und Gesellschaftervereinbarung beurkundet und anschließend die Gesellschafterversammlung, die über die Barkapitalerhöhung zum Nominalwert beschließt. Bis dato wurde regelmäßig zur Berechnung der Kosten des Kapitalerhöhungsbeschlusses nur der nominelle Erhöhungsbetrag herangezogen.
Anders entschied nun das OLG München: Der Betrag der Zuzahlung ist sowohl bei den Kosten der Beurkundung der Beteiligungs- und Gesellschaftervereinbarung als auch bei den Kosten für die Beurkundung des Kapitalerhöhungsbeschlusses zu berücksichtigen. Die hier vom OLG München getroffene Entscheidung ist, insbesondere unter investitionspolitischen Gesichtspunkten, kritisch zu betrachten.
Faktisch könnte eine doppelte Kostenbelastung möglicherweise dadurch vermieden werden, dass neben einer zu beurkundenden Gesellschaftervereinbarung eine eigenständige privatschriftliche Zuzahlungsverpflichtung vereinbart würde. Je nach Inhalt der Gesellschaftervereinbarung kann dies jedoch zur Formnichtigkeit beider Verträge, also der Gesellschaftervereinbarung und der privatschriftlichen Zuzahlungsverpflichtung führen. Werden die Zuzahlungsverpflichtung und der Kapitalerhöhungsbeschluss in einer Urkunde zusammengefasst, verringert sich die Kostenlast zumindest auf Grund der Kostendegression.
Die Behandlung einer weiteren typischen Gestaltung im Bereich von Venture Capital Finanzierungen bleibt allerdings ungeklärt: Regelmäßig ist die Zuzahlungsverpflichtung eines Investors mit dem Erreichen sog. Meilensteine verknüpft. Das heißt, die Zuzahlung des Investors erfolgt in Tranchen und ist aufschiebend bedingt auf das Erreichen festgelegter Ziele durch die Gesellschaft. Zu der Frage, ob und inwieweit ein bedingter Teil des Zuzahlungsbetrages bei der Kostenermittlung hinzurechnen ist, trifft das OLG München keine Aussage.