15.03.2018 | Arbeitsrecht
Sachverhalt
Die Klägerin war bei der Beklagten als DUP-Operator seit 1984 beschäftigt. In ihrem Arbeitsvertrag in § 3 war vorgesehen, dass zusätzlich zum Grundgehalt eine Weihnachtsgratifikation gezahlt wird, deren Höhe jeweils jährlich durch den Arbeitgeber bekannt gegeben wird und deren Höhe derzeit ein volles Monatsgehalt nicht übersteigt. Hierauf wird im Juni ein Vorschluss in Höhe von bis zu einem halben Monatsgehalt gezahlt. In den Jahren bis einschließlich 2013 leistete die Beklagte an die Klägerin in jedem Kalenderjahr eine Sonderzahlung in Höhe eines ganzen Bruttogehalts. Eine Hälfte wurde als Vorschuss mit der Vergütung für Mai und die andere Hälfte mit der Vergütung für November angerechnet und gezahlt. In der Verdienstabrechnung der Klägerin für Mai 2014 war neben dem Monatsgehalt ein als „Abschl. J-gratifikat.“ bezeichneter Betrag in Höhe eines halben Bruttomonatsgehalts ausgewiesen, der auch ausgezahlt wurde. Nachdem die Beklagte im August 2014 bei Zahlung der „zweiten Hälfte der Weihnachtsgratifikation“ ein negatives Betriebsergebnis vor Steuern prognostiziert hatte, entschied sie im September 2014 keine weitere Gratifikation an die Belegschaft zu zahlen. Hierüber unterrichtete sie die Klägerin schriftlich im Oktober 2014. Die Klägerin erhob Klage auf Auszahlung der zweiten Hälfte der Weihnachtsgratifikation für 2014. Ihre Klage blieb jedoch in allen Instanzen erfolglos.
Entscheidungsgründe
Nach § 3 des Arbeitsvertrages hat die Klägerin grundsätzlich ein Anspruch auf eine jährliche Weihnachtsgratifikation, auf die im Juni ein Vorschuss zu leisten ist. Zur Höhe der Weihnachtsgratifikation bestimmt der Arbeitsvertrag, dass diese „jeweils jährlich durch den Arbeitgeber bekannt gegeben wird und … derzeit ein volles Monatsgehalt nicht übersteigt“. Diese Formulierung lässt nach Ansicht des BAG erkennbar offen, welche Höhe die Gratifikation auch zukünftig erreichen wird. Damit kann die Beklagte die Höhe der Weihnachtsgratifikation einseitig nach billigem Ermessen gem. § 315 BGB festsetzen. Auch die Höhe des Vorschusses kann nach der vertraglichen Regelung von der Beklagten einseitig nach billigem Ermessen festgesetzt werden.
Das BAG sieht es als zulässig an, dass der Beklagten in Bezug auf den Vorschuss als auch im Hinblick auf die endgültige Höhe der Weihnachtsgratifikation ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 BGB eingeräumt ist. Diesem vertraglich vereinbarten Recht der Beklagten zur Leistungsbestimmung steht nicht entgegen, dass die Beklagte in der Vergangenheit stets eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines vollen Monatsgehalts gezahlt hat. Allein die gleichbleibende Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts über einen längeren Zeitraum führt nach Ansicht des BAG nicht zu einer Konkretisierung mit der Folge, dass jede andere Ausübung des Ermessens nicht mehr der Billigkeit entspreche. Auch die vorbehaltslose Bezahlung des Vorschusses lässt nicht den Schluss zu, dass die Beklagte auch diesmal insgesamt ein ganzes Bruttomonatsgehalt zahlen werde. Abändernde Vereinbarungen zu der vertraglichen Regelung wurden, insbesondere auch mit dem Vorschuss, nicht getroffen.
Der Anspruch der Klägerin auf Leistungsbestimmung nach billigen Ermessen ist daher bereits nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen, da die Beklagte das ihr zustehende Leistungsbestimmungsrecht in Bezug auf die Festsetzung der Höhe der Weihnachtsgratifikation für das Kalenderjahr 2014 im September 2014 ausgeübt und der Klägerin auch im Oktober 2014 mitgeteilt hat, dass die Zahlung des zweiten Teils der Gratifikation aus wirtschaftlichen Gründen nicht erfolgen könne. Diese Entscheidung der Beklagten entsprach auch der Billigkeit, was grundsätzlich der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die Beklagte hat nach BAG hierfür im Einzelnen nachvollziehbar dargelegt, welche wirtschaftlichen Umstände sie zur Entscheidung bewogen haben. Das Betriebsergebnis hätte nach dem Prognosen vor Steuern Ende 2014 im vierstelligen Bereich unter null gelegen. Weitere Umstände zu ihren Gunsten hat die Klägerin nicht vorgetragen.
Fazit
Mit dieser Entscheidung hat BAG nochmals die Attraktivität dieses Instruments zur Entgeltflexibilisierung, Sondervergütungszusage mit einseitigem Leistungsbestimmungsrecht zur Höhe, gestärkt. Es dürfte vor dem Hintergrund der immer restriktiveren Rechtsprechung zu Widerrufsvorbehalt oder Freiwilligkeitsvorbehalt zunehmend an Bedeutung gewinnen. Denn damit ist es möglich, einerseits dem Arbeitnehmer eine Sondervergütung zuzusagen, zum anderen aber die Höhe abhängig von zB schlechten, wirtschaftlichen Entwicklungen zu steuern bzw. sogar bis auf null zu reduzieren. Auch jahrelange gleichbleibende Entscheidungen führen nicht zu einer Selbstbindung des Arbeitgebers. Die einseitige Leistungsbestimmung muss jedoch billigem Ermessen entsprechen, was im Zweifelsfall im Rahmen eines Gerichtsverfahrens vollumfänglich nachgeprüft werden kann.