22.09.2017 | Arbeitsrecht
Das Bundesarbeitsgericht („BAG“) musste sich mit der Frage auseinandersetzen, ob die Arbeitgeberin einer ehemaligen Arbeitnehmerin für die Einhaltung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots eine Entschädigung in Geld nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu zahlen hat. Die Arbeitnehmerin hatte es unterlassen, gegenüber ihrer ehemaligen Arbeitgeberin nachvertraglich in Wettbewerb zu treten, da sie ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot unterzeichnet hatte, das jedoch keine Karenzentschädigung vorsah.
Mit Urteil vom 22.03.2017 (Az.: 10 AZR 448/15) entschied das BAG, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, das keine Karenzentschädigung zusagt, wegen Verstoßes gegen § 74 Abs. 2 HGB nichtig ist. Ein nichtiges nachvertragliches Wettbewerbsverbot kann keinen Anspruch auf Karenzentschädigung begründen. Diese Folge kann auch eine in einem Arbeitsvertrag enthaltene sogenannte salvatorische Klausel nicht beseitigen oder heilen.
Die Entscheidung
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Karenzentschädigung. Die Arbeitnehmerin war bei der Arbeitgeberin als Industriekauffrau mit einem Gehalt von zuletzt EUR 1.209,38 brutto beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien war aufgrund einer ordentlichen Kündigung der Arbeitnehmerin beendet. Der Anstellungsvertrag enthielt ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, das der Arbeitnehmerin für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses untersagte, in selbstständiger, unselbstständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit der Arbeitgeberin in direktem oder indirektem Wettbewerb steht. Eine Entschädigung in Geld (sog. „Karenzentschädigung“), die die Arbeitnehmerin für die Einhaltung des Verbots erhalten soll, wurde im Rahmen des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots nicht zugesagt. Zudem enthielt der Arbeitsvertrag eine sog. salvatorische Klausel. Im Falle einer Unwirksamkeit oder Nichtigkeit einer Vertragsbestimmung sollte der Vertrag im Übrigen wirksam bleiben und eine angemessene Regelung gelten, die dem am nächsten kommt, was die Vertragsparteien tatsächlich gewollt haben oder nach dem Sinn und Zweck gewollt hätten, wenn sie bei Vertragsabschluss die Nichtigkeit der Regelung bedacht hätten. Die Arbeitnehmerin hat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Wettbewerbsverbot eingehalten und macht mit ihrer Klage eine monatliche Karenzentschädigung i.H.v. EUR 604,69 brutto geltend.
Während das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben haben, wies das BAG die Klage mit der Folge ab, dass die Arbeitgeberin keine Karenzentschädigung zahlen musste.
Das BAG stellte zunächst klar, dass ein Arbeitnehmer nach der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich darin frei ist, mit seinem ehemaligen Arbeitgeber in Wettbewerb zu treten oder für ein Konkurrenzunternehmen tätig zu werden. Die Arbeitsvertragsparteien können jedoch gem. § 110 GewO die berufliche Tätigkeit des Arbeitnehmers für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses beschränken. Nur wenn das nachvertragliche Wettbewerbsverbot den Anforderungen der §§ 74 ff. HGB entspricht, darf der Arbeitgeber dem früheren Arbeitnehmer Wettbewerbstätigkeiten untersagen. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist unter anderem wirksam und für beide Arbeitsvertragsparteien verbindlich, wenn es dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dient, nach Ort, Zeit und Gegenstand nicht zu weit reicht und der Arbeitgeber sich verpflichtet, für die Dauer des Wettbewerbsverbots eine Karenzentschädigung zu zahlen, die mindestens die Hälfte der vom Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht. Das BAG entschied im vorliegenden Fall, dass das nachvertragliche Wettbewerbsverbot mangels Zusage einer Karenzentschädigung nichtig ist und sich folglich keine der Parteien auf Rechte aus dieser Vereinbarung berufen konnte.
Darüber hinaus hat das BAG festgestellt, dass die salvatorische Klausel nicht dazu führen kann, dass die gesetzlich vorgesehene Karenzentschädigung im Wege der Auslegung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots als vereinbart anzusehen ist. Die §§ 74 ff. HGB sollen Arbeitnehmer nach Auffassung des BAG insbesondere vor schwer durchschaubaren Vertragswerken schützen. Für Arbeitnehmer soll bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz keine Unsicherheit darüber bestehen, ob sie einem Wettbewerbsverbot unterliegen oder nicht. Aus diesem Grund müssen sowohl die Wettbewerbsbeschränkung als auch die Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung im Arbeitsvertrag eindeutig und klar formuliert sein, so dass für den Arbeitnehmer keine Zweifel über seinen Entschädigungsanspruch verbleiben. Diese Anforderungen werden durch die salvatorische Klausel nach Ansicht des BAG nicht erfüllt. Der Arbeitnehmer kann daraus nicht deutlich und zweifelsfrei erkennen, ob eine Karenzentschädigung zu zahlen ist oder nicht. Zudem kann die salvatorische Klausel nach Auffassung des BAG nicht zur Auslegung der Frage herangezogen werden, ob ein Entschädigungsanspruch besteht, da die Klausel lediglich die Rechtsfolge für den Fall einer Nichtigkeit regelt.
Fazit
Das BAG verdeutlicht erneut die Anforderungen an ein wirksames nachvertragliches Wettbewerbsverbot. Insbesondere muss ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot die Zahlung einer Karenzentschädigung vorsehen, die den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Die Entscheidung zeigt zudem, dass nicht nur Arbeitgebern zu empfehlen ist, ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot sorgfältig prüfen zu lassen. Auch Arbeitnehmer sollten sich vor der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz erkundigen, ob ihnen eine Wettbewerbstätigkeit tatsächlich untersagt ist. Hält sich ein Arbeitnehmer gutgläubig an ein nichtiges nachvertragliches Wettbewerbsverbot, hat er trotz seines loyalen Verhaltens keinen Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich. Denn nur im Falle eines wirksamen nachvertraglichen Wettbewerbsverbots können die Parteien Rechte und Pflichten aus dieser Vereinbarung herleiten.