Compliance: Neues in Sachen Whistleblowing – der Staatsanwalt beim Ombudsmann

Vertraulichkeit beim Ombudsmann eines Compliance-Management-Systems wird oftmals zugesagt. Das Landgericht Bochum hat nun entschieden, dass Informationen beim Ombudsmann in der Regel nicht vor Zugriffen durch staatliche Ermittlungsbehörden sicher sind.

Compliance: Neues in Sachen Whistleblowing – der Staatsanwalt beim Ombudsmann
Compliance: Neues in Sachen Whistleblowing – der Staatsanwalt beim Ombudsmann

22.11.2016 | Compliance & Internal Investigations

Vorstände und Geschäftsführer (im Folgenden gemeinsam als Geschäftsleiter bezeichnet) müssen im Rahmen ihrer Legalitäts- und Sorgfaltspflicht dafür sorgen, dass in dem von ihnen geführten Unternehmen keine Regelverstöße begangen werden. Die strukturierte Herangehensweise an diese Herausforderung wird als „Compliance“ bezeichnet. Oftmals werden sogenannte Compliance-Management-Systeme (CMS) installiert, um strukturiert und mittels systematischer Herangehensweise die Regeleinhaltung im Unternehmen sicherzustellen. Integraler Bestandteil eines CMS ist häufig ein sogenannter Ombudsmann bzw. eine sogenannte „Whistleblower-Stelle“. Oftmals werden Rechtsanwälte mit der Wahrnehmung dieser Funktion betraut und es wird regelmäßig darauf hingewiesen, dass diese als zur Berufsverschwiegenheit Verpflichtete vollständige Vertraulichkeit der übermittelten Hinweise gewährleisten können. In jüngerer Zeit wurde verstärkt darüber diskutiert, ob die Behauptungen, dass die an den Ombudsmann übermittelten Informationen sowohl beschlagnahmefrei (also dem Zugriff durch staatliche Behörden entzogen) seien als auch, dass der Ombudsmann umfassend zeugnisverweigerungsberechtigt in einem eventuellen Prozess sei, zutreffend sind.

Hintergrund ist, dass immer wieder in Frage gestellt wird, ob der jeweilige Hinweisgeber („Whistleblower“) tatsächlich eine mandats- bzw. mandatsähnliche Beziehung zu dem als Ombudsmann fungierenden Rechtsanwalt hat, die die Aktivierung von Beschlagnahmeverboten und Zeugnisverweigerungsrechten rechtfertigt. Beschlagnahmeverbote haben zur Folge, dass die mitgeteilten Informationen, beispielsweise in Form von Akten aufgrund einer staatsanwaltschaftlichen Durchsuchung beim Rechtsanwalt nicht in Beschlag genommen werden dürfen, ein Zeugnisverweigerungsrecht hätte zur Folge, dass der Rechtsanwalt in einem Prozess, der unter Umständen auch den Hinweisgeber selbst betreffen könnte, zeugnisverweigerungsberechtigt wäre.

Das Landgericht Bochum hat nun in einer aktuellen Entscheidung (Az.: II/6 QS 1/16) entschieden, dass ein Beschlagnahmeverbot im Hinblick auf die in der Funktion als Ombudsmann erlangten Informationen nicht besteht. Kernargument ist, dass zwischen dem Hinweisgeber und dem Ombudsmann kein schutzwürdiges mandatsähnliches Vertrauensverhältnis existiert. Weder aus den bestehenden gesetzlichen Regelungen der StPO noch aus verfassungsrechtlichen Gründen ergebe sich in einem derartigen Fall ein Beschlagnahmeverbot.

Die Frage wird in der Literatur bis zur Klärung durch ein Obergericht freilich weiter streitig bleiben, doch liefert die Entscheidung des LG Bochum erste Ansatzpunkte dafür, dass die doch weit verbreitete Praxis, im Rahmen von CMS Hinweisgebern den Eindruck zu vermitteln, die an die Ombudsstelle übermittelten Informationen seien gegen jeglichen Zugriff, auch staatlicher Art, geschützt, zumindest gewagt ist. Die Entscheidung ist – ausgehend von der gesetzlichen Lage – richtig, selbst wenn rechtspolitisch in Erwägung gezogen werden sollte, Hinweisgeber an dieser Stelle umfassender zu schützen. Zu bedenken ist, dass bei bestehenden Konstruktionen zumeist der Rechtsanwalt vom Unternehmen selbst eingesetzt ist, die von Mitarbeitern oder Dritten (anonym) mitgeteilten Informationen zu sammeln, auf ihre Glaubwürdigkeit hin zu prüfen, und sodann an das Unternehmen zu übermitteln. Dies ist im Kern eine andere Rolle als sie einem Rechtsanwalt, der auf Seiten des Hinweisgebers stünde, zukäme.

Vor diesem Hintergrund sollten Unternehmen alternative und anonyme Hinweisgebersysteme auf ihre tatsächliche und rechtliche Machbarkeit hin prüfen; aufgrund der derzeit bestehenden rechtlichen Unsicherheiten sollte gegenüber Angestellten und Dritten von Seiten des Unternehmens nicht länger der Eindruck erweckt werden, als wären die an den als Ombudsmann bestellten Rechtanwalt übermittelten Informationen jeglichem Zugriff von Seiten Dritter entzogen. Denn auch und gerade die Unternehmensleitung trifft die Pflicht zu rechtstreuem Verhalten („Tone from the top“), so dass insoweit die Mitarbeiter nicht in Missverständnisse geleitet werden sollten.