04.11.2016 | Arbeitsrecht
Nach § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz („EFZG“) hat ein Arbeitnehmer, der durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit unverschuldet seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann, gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruch auf Fortzahlung der Arbeitsvergütung bis zur Dauer von sechs Wochen.
In seinem Urteil vom 25.05.2016 (Az.: 5 AZR 318/15) entschied das Bundesarbeitsgericht („BAG“), dass der Arbeitnehmer hinsichtlich eines etwaigen Anspruchs auf Entgeltfortzahlung gegen den Arbeitgeber sowohl für die Tatsache der Arbeitsunfähigkeit als auch für deren Beginn und Ende darlegungs- und beweispflichtig ist.
Die Entscheidung
Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Der Kläger war vom 09.09.2013 bis einschließlich 20.10.2013 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Am 17.10.2013 suchte er seinen Arzt wegen eines anderen Leidens (zunehmende Schulterschmerzen) auf. Der Kläger erhielt sodann am 21.10.2013 von seinem Arzt ein Attest über die Arbeitsunfähigkeit wegen Schulterschmerzen bis zunächst 05.11.2013. Die Beklagte leistete für die Zeit ab dem 21.10.2013 keine Entgeltfortzahlung, weswegen der Kläger Zahlungsklage erhob. Während das Arbeitsgericht der Klage auf Entgeltfortzahlung stattgab, wiesen das Landesarbeitsgericht und das BAG die Klage ab.
Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer einen neuen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von sechs Wochen, wenn der Arbeitnehmer nach wiederhergestellter Arbeitsfähigkeit unverschuldet erneut krankheitsbedingt arbeitsunfähig wird und die Arbeitsunfähigkeit auf einer anderen Krankheit beruht. Dies gilt nach Auffassung des BAG jedoch – selbst wenn keine Fortsetzung einer früheren Erkrankung vorliegt – nicht uneingeschränkt.
Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung bleibt auf die Dauer von sechs Wochen beschränkt, wenn während bestehender Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (sog. „Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls“). Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits zu dem Zeitpunkt beendet war, in dem die weitere Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsunfähigkeit führt. Dies ist dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Erkrankungen – zumindest kurzzeitig, auch außerhalb der Arbeitszeit – arbeitsfähig war.
Aus Sicht des BAG ist der Arbeitnehmer in diesem Zusammenhang darlegungs- und beweispflichtig dafür, wann eine krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung begonnen und geendet hat. Grundsätzlich kann sich der Arbeitnehmer dazu zunächst auf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen stützen. Im vorliegenden Fall brachte der Arbeitgeber jedoch gewichtige Indizien vor, dass die Arbeitsunfähigkeit wegen der krankhaften Schulterschmerzen bereits vor dem attestierten Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 21.10.2013 bestanden hat. Der Arbeitgeber ging aufgrund des Arztbesuchs am 17.10.2013 davon aus, dass die neue Erkrankung zu der Krankheit, wegen der der Kläger bereits durchgehend sechs Wochen arbeitsunfähig war, hinzugetreten ist. Durch die Vernehmung des behandelnden Arztes konnte nicht abschließend geklärt werden, ob der Kläger erst am 21.10.2013 oder bereits am 17.10.2013 durch die weitere Erkrankung arbeitsunfähig war. Folglich sei dem Kläger der Beweis nicht gelungen, dass er wegen der schmerzenden Schulter erst am 21.10.2013 arbeitsunfähig wurde. Dies geht aufgrund der geltenden Darlegungs- und Beweislast zu seinen Lasten. Dem Kläger stand somit nach Auffassung des BAG kein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von sechs Wochen zu.
Fazit
In seinem Urteil führt das BAG seine Rechtsprechung zur Beweislast des Entgeltfortzahlungsanspruches im Krankheitsfall fort. Der Arbeitnehmer ist im Zweifel sowohl für die Tatsache der Arbeitsunfähigkeit als auch für deren konkreten Beginn und Ende darlegungs- und beweispflichtig. Weiter bestätigt das BAG erneut den Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls. Die sechswöchige Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall knüpft an die Arbeitsverhinderung an und nicht an die Krankheit des Arbeitnehmers. Meldet sich der Arbeitnehmer im Anschluss an den sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraum erneut arbeitsunfähig krank und kann er nicht beweisen, dass die neue Erkrankung erst nach dem Ende der ursprünglichen Krankheit eingetreten ist, hat er gegenüber seinem Arbeitgeber im Zweifel keinen neuen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von sechs Wochen.