20.10.2016 | Öffentliches Recht
Die Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften gehört außer bei Sonderbauten im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht zum Pflichtprüfungsprogramm der Genehmigungsbehörde. Es ist zwar anerkannt, dass die Genehmigungsbehörde die Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften prüfen darf. Eine Verpflichtung hierzu besteht jedoch nicht.
Abweichendes gilt gem. Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO soweit ausdrücklich eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften beantragt wird. Bei den Verwaltungsgerichten war hier bisher umstritten, inwiefern ein Antrag auf Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften dazu führt, dass dann sämtliche Abstandsflächen, die von dem Bauvorhaben ausgelöst werden, zu überprüfen sind. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat diese Frage nunmehr dahingehend beantwortet, dass - mit Ausnahme bei der Anwendung des Schmalseitenprivilegs - nur diejenigen Abstandsflächen geprüft werden müssen, von denen eine Abweichung ausdrücklich beantragt wurde.
Der VGH München hat hierzu ausgeführt, dass die Vollprüfungspflicht der Abstandsflächen dem gesetzgeberischen Willen zur Einschränkung des Prüfungsumfangs im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zuwiderlaufen würde. Weiter ergebe sich auch aus der Tatsache, dass die Bauaufsichtsbehörde bei der Erteilung einer Abweichung eine Ermessensentscheidung zu treffen habe nicht, dass eine sachgerechte Ermessensentscheidung nur unter Würdigung sämtlicher vom Bauvorhaben ausgelösten Abstandsflächen getroffen werden kann.