05.04.2016 | Kartellrecht
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ausweislich der Pressemitteilung Nr. 63/2016 vom 24.03.2016 in einem aktuellen Urteil festgestellt, dass die Krankenhausfinanzierung durch eine Kommune von der grundsätzlich bestehenden Pflicht zur vorherigen Notifizierung bei der Europäischen Kommission freigestellt ist, insofern das Krankenhaus mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) betraut, im Krankenhausplan des Landes aufgenommen worden ist und insbesondere die beihilfenrechtlichen Anforderungen der sog. Freistellungsentscheidung der Europäischen Kommission (Entscheidung vom 29. November 2005, 2005/842/EG, ABl. EU Nr. L 312/67) eingehalten werden (BGH, Urteil vom 24. März 2016, Az.: I ZR 263/14). Die schriftliche Urteilsbegründung liegt indes noch nicht vor.
Sachverhalt
Der Landkreis Calw ist Gesellschafter der Kreiskliniken Calw gGmbH, die ein Plankrankenhaus mit zwei Betriebsstätten (in Calw und Nagold) betreibt. Diese Krankenhäuser sind in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommen und vom Landkreis am 22. April 2008 und 19. Dezember 2013 mit der Erbringung medizinischer Versorgungsleistungen als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse („DAWI“) betraut worden.
Nachdem der Jahresabschluss der Kreiskliniken Calw für das Jahr 2011 einen Fehlbetrag von mehr als 3 Millionen Euro und derjenige für das Jahr 2012 einen Fehlbetrag von mehr als 6 Millionen Euro ausgewiesen hatten, fasste der Kreistag des Landkreises im Jahr 2012 den Beschluss, die Verluste der Kreiskliniken für die Jahre 2012 bis 2016 auszugleichen. Außerdem gewährte der Landkreis der Kreiskliniken Calw gGmbH in den Jahren 2010 bis 2012 Ausfallbürgschaften zur Absicherung von Investitionsdarlehen, ohne hierfür Avalzinsen zu verlangen, und Investitionszuschüsse.
Verfahrensgang
Der Bundesverband der deutschen Privatkliniken (BDPK) sieht in den Zuwendungen des Landkreises an die Kreiskliniken staatliche Beihilfen, die wegen fehlender Notifizierung bei der Europäischen Kommission rechtswidrig seien. Daher hatte der BDPK den Landkreis auf Unterlassung des Verlustausgleichs für die Jahre 2012 bis 2016, der Übernahme von Bürgschaften und der Gewährung von Investitionszuschüssen in Anspruch genommen. Mit diesem Ansinnen war der BDPK bereits in erster Instanz (LG Tübingen, Urteil vom 23. Dezember 2013, Az. 5 O 72/13) sowie in der Berufungsinstanz (OLG Stuttgart, Urteil vom 20. November 2014, Az.: 2 U 11/14) gescheitert.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Die Entscheidung des BGH ist zweigeteilt:
Soweit sich der BDPK gegen den Ausgleich der Verluste der Kreiskliniken für die Jahre 2012 und 2013 wendet, hat der BGH die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG Stuttgart zurückverwiesen. Hintergrund hierfür ist, dass nach Ansicht des Gerichts der Betrauungsakt vom 22. April 2008 nicht den Transparenzanforderungen genügt, welche in der sog. Freistellungsentscheidung der Europäischen Kommission vorgesehen sind, da die Parameter für die Berechnung der Ausgleichsleistungen nur unzureichend ausgewiesen sind. Auf Grund dessen könne dieser Betrauungsakt nicht zu einer Freistellung von der Notifizierungspflicht führen. Das OLG Stuttgart muss nunmehr prüfen, ob es sich bei den Zuwendungen des Landkreises um staatliche Beihilfen handelt.
Im Übrigen - und dies ist der maßgebliche Teil des Urteils - hat der BGH die Revision zurückgewiesen. Er hat angenommen, dass die Zuwendungen des Landkreises an die Kreiskliniken von der Notifizierungspflicht freigestellt sind, soweit sie auf der Grundlage des seit dem 1. Januar 2014 wirksamen Betrauungsakts vom 19. Dezember 2013 gewährt werden. Die Leistungen des Landkreises dienten der Aufrechterhaltung des Betriebs der defizitär arbeitenden Krankenhäuser Calw und Nagold. Bei den medizinischen Versorgungsleistungen der Kreiskrankenhäuser handele es sich um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. Aus der Aufnahme der Krankenhäuser Calw und Nagold in den Krankenhausplan ergebe sich, dass ihr Betrieb zur bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung notwendig ist. Der Landkreis habe den Betrieb der Kreiskrankenhäuser nach § 3 Abs. 1 und § 7 Abs. 1 des Landeskrankenhausgesetzes Baden-Württemberg sicherzustellen.
Fazit
Aus der (teilweisen) Zurückweisung der Revision des BDPK durch den BGH wird ersichtlich, dass der BGH keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine kommunale Krankenhausfinanzierung hat. Gleichwohl darf das Urteil des BGH keineswegs als „Freibrief“ für ungeregelte oder unbegrenzte kommunale Krankenhausfinanzierungen missverstanden werden. Vielmehr müssen diese auch künftig vorab (!) anhand der geltenden beihilfenrechtlichen Rechtslage strukturiert werden, um von der grundsätzlich bestehenden Notifizierungspflicht freigestellt sein zu können. Im zu Grunde liegenden Fall war dies die Freistellungsentscheidung. Künftige Krankenhausfinanzierungen sind anhand der Nachfolgeregelung, dem sog. Freistellungsbeschluss der Europäischen Kommission (Beschluss vom 20. Dezember 2011, K(2011)9380 endg.) zu beurteilen, welcher mit Wirkung zum 31. Januar 2012 in Kraft getreten ist.