29.03.2016 | Arbeitsrecht
Gut ein Jahr nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes beschäftigen sich die Arbeitsgerichte verstärkt mit der Berechnung des gesetzlichen Mindestlohns. Das Landesarbeitsgericht („LAG“) Berlin-Brandenburg hat sich in seiner Entscheidung vom 12.01.2016 (Az.: 19 Sa 1851/15) mit der Anrechenbarkeit von Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld auf den gesetzlichen Mindestlohn sowie mit der Berechnungsgrundlage für mit dem Arbeitgeber vereinbarte Zuschläge auseinandergesetzt.
Die Entscheidung
Die Mitarbeiterin ist seit 1992 bei dem Arbeitgeber in einer Cafeteria mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt. Mit der Arbeitnehmerin war arbeitsvertraglich ein Stundenlohn von weniger als 8,50 Euro brutto pro Stunde vereinbart. Laut ihrem Arbeitsvertrag erhielt die Mitarbeiterin – wie viele weitere Beschäftigte des Unternehmens auch – jeweils einmal jährlich eine Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld) sowie Urlaubsgeld in Höhe von jeweils einem halben Bruttomonatsgehalt. Der Anspruch auf diese Sonderzahlungen war dabei nur von einer durchgehenden Beschäftigung im laufenden Kalenderjahr abhängig. Nachdem die beiden Sonderzahlungen in der Vergangenheit als Einmalbetrag ausbezahlt wurden, schlossen der Arbeitgeber und der im Unternehmen bestehende Betriebsrat im Dezember 2014 eine Betriebsvereinbarung. Die Betriebsvereinbarung sah vor, dass das Urlaubsgeld und das Weihnachtsgeld künftig monatlich anteilig zu 1/12 mit der Monatsvergütung ausbezahlt werden. Aufgrund der zusätzlichen anteiligen Sonderzahlungen ergab sich für die Arbeitnehmerin ein Stundenlohn von mehr als 8,50 Euro brutto. Des Weiteren standen der Mitarbeiterin gemäß ihres Arbeitsvertrags Überstunden-, Sonn- und Feiertags- sowie Nachtzuschläge zu. Der Berechnung dieser Zuschläge legte der Arbeitgeber stets den arbeitsvertraglich vereinbarten Stundenlohn von weniger als 8,50 Euro brutto zugrunde.
Die Arbeitnehmerin wandte sich gegen diese beim Arbeitgeber bestehende Praxis. Sie war der Auffassung, dass die zusätzlichen Sonderzahlungen nicht auf den Mindestlohn anzurechnen seien. Außerdem müsse die Abrechnung der Zuschläge auf der Basis des gesetzlichen Mindestlohns erfolgen. Die Klage war in beiden Instanzen weitgehend erfolglos.
Das LAG Berlin-Brandenburg vertrat die Ansicht, dass das der Mitarbeiterin gewährte Urlaubs- und Weihnachtsgeld neben der vertraglich vereinbarten Grundvergütung auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechenbar ist. Das LAG stützt diese Auffassung u. a. darauf, dass die Sonderzahlungen gemäß der arbeitsvertraglichen Regelungen ausschließlich an die Dauer des Bestands des Arbeitsverhältnisses im jeweiligen Kalenderjahr geknüpft waren und damit nicht etwa die Betriebstreue honoriert wurde. Aus diesem Grund handele es sich bei den Sonderzahlungen um Entgelt für die normale Arbeitsleistung, da der Entgeltcharakter der Zuwendungen im Vordergrund stehe. Insbesondere sei auch die Betriebsvereinbarung, die die anteilige monatliche Zahlung der jährlichen Zuwendungen regelt, wirksam und verstoße nicht gegen den Arbeitsvertrag der Mitarbeiterin. Weiter sei die Berechnung der Überstunden-, Sonn- und Feiertagszuschläge auf der Grundlage des arbeitsvertraglich vereinbarten Stundenlohns zulässig gewesen, weil sie entsprechend der Regelungen im Arbeitsvertrag erfolgte. Den Nachtarbeitszuschlägen hätte dagegen der höhere gesetzliche Mindestlohn zugrunde gelegt werden müssen, da das Arbeitszeitgesetz bei Nachtarbeitnehmern einen angemessenen Zuschlag auf das dem Arbeitnehmer „zustehende Bruttoarbeitsentgelt“ vorschreibe.
Fazit
Sonderzahlungen, die der Arbeitgeber anteilig monatlich als Vergütung für die normale Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gewährt, können auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden. Entscheidend ist hier allerdings, dass die Sonderzahlung für die erbrachte Arbeitsleistung geleistet wird und damit Entgeltcharakter aufweist. Wäre die Sonderzahlung dagegen als Honorierung der Betriebstreue erfolgt, hätte es an dem Entgeltcharakter gefehlt. Eine Anrechnung auf den gesetzlichen Mindestlohn wäre dann nicht zulässig gewesen. Vorsicht ist dagegen bei Nachtarbeitszuschlägen geboten. Diese sind auf der Basis des gesetzlichen Mindestlohns zu berechnen, wenn der arbeitsvertraglich vereinbarte Stundenlohn geringer ist. Das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, so dass eine obergerichtliche Klärung noch aussteht.