14.12.2015 | Bau- und Immobilienrecht
Mit Urteil vom 05.11.2015 (Az.: VII ZR 144/14) hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass der Besteller sein Leistungsverweigerungsrecht, wegen eines Mangels der Werkleistung, gegenüber dem Unternehmer auch nach Eintritt der Verjährung von Mängelansprüchen geltend machen kann, wenn dieser Mangel bereits vor Ablauf der Verjährungsfrist in Erscheinung getreten ist.
Sachverhalt
Die Klägerin führte im Auftrag der Beklagten Rohbauarbeiten für den Neubau eines Büros mit Lagerhalle aus. Mit ihrer Klage verlangt sie Zahlung restlichen Werklohns von der Beklagten. Diese beruft sich auf ein Leistungsverweigerungsrecht, unter anderem wegen eines Mangels („Wölbung des Pflasters“), der erst nach Ablauf der Verjährungsfrist für Mängelansprüche gegenüber der Klägerin gerügt worden ist. Mit Erfolg!
Entscheidungsgründe
Nach § 215 BGB kann der Besteller, wegen eines Mangels der Werkleistung, ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem Unternehmer auch noch nach Eintritt der Verjährung von Mängelansprüchen geltend machen, wenn dieser Mangel bereits vor Ablauf der Verjährungsfrist in Erscheinung getreten ist und daher ein darauf gestütztes Leistungsverweigerungsrecht in nicht verjährter Zeit geltend gemacht werden konnte. Es kommt also nicht darauf an, dass der Besteller bereits vor Eintritt der Verjährung seiner Mängelansprüche das ihm zustehende Leistungsverweigerungsrecht auch tatsächlich geltend gemacht hat.
Hintergrund dieser Regelung ist, dass der Schuldner, dem ein Gegenanspruch zusteht, durch die Verjährungsregel nicht zur frühzeitigen Durchsetzung seiner Forderung im Wege der Aufrechnung oder Klageerhebung gedrängt werden soll. Insoweit ergibt sich auch aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, dass es ausreichend ist, wenn das Leistungsverweigerungsrecht bereits in nicht verjährter Zeit bestand und ausgeübt werden konnte. In diesem Fall darf sich der Besteller im Hinblick auf die dem Unternehmer zustehende Werklohnforderung wegen der ihm zustehenden Gegenforderung als hinreichend gesichert ansehen.
Nach der Entscheidung des BGH kommt auch eine teleologische Reduktion der Vorschrift dahingehend, dass der Besteller sich auf ein Leistungsverweigerungsrecht nach Ablauf der Verjährungsfrist nur dann berufen kann, wenn er dieses in nicht verjährter Zeit auch tatsächlich geltend gemacht hat, nicht in Betracht.
Der Begründung des Berufungsgerichts, dass bei wortlautgetreuer Auslegung des § 215 BGB der Besteller bevorteilt würde, der grundlos eine Werklohnforderung nicht zahlt, weshalb die Vorschrift einschränkend auszulegen sei, schließt sich der BGH nicht an und verweist insoweit auf die Entstehung der Vorschrift. Denn nach der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Rechtslage setzte die Erhaltung der Mängeleinrede des Bestellers nach Ablauf der Verjährungsfrist voraus, dass der Besteller dem Unternehmer den Mangel der Werkleistung in nicht verjährter Zeit angezeigt hatte. Mit der Neufassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die am 1. Januar 2002 in Kraft getreten ist, ist der Besteller nach dem Wortlaut des § 215 BGB gerade nicht mehr gezwungen, ein ihm zustehendes Leistungsverweigerungsrecht vor Ablauf der Verjährungsfrist geltend zu machen, um sich dieses Recht zu erhalten.
Fazit
Im Ergebnis muss der Unternehmer – will er einen Vergütungsanspruch durchsetzen – etwaige Mängel, die in nicht verjährter Zeit aufgetreten sind, auch noch nach Ablauf der Verjährungsfrist für Mängelansprüche, beseitigen.