Auch die Fahrt zum Kunden zählt zur Arbeitszeit

Fahrzeiten, die Arbeitnehmer ohne festen Arbeitsort zwischen ihrem Wohnort und dem Ort des ersten und letzten Arbeitseinsatzes eines Arbeitstages zurücklegen, sind als Arbeitszeit im Sinne der „Arbeitszeitrichtlinie“ zu werten. Dies gebiete das unionsrechtliche Ziel des Schutzes der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer.

Auch die Fahrt zum Kunden zählt zur Arbeitszeit
Auch die Fahrt zum Kunden zählt zur Arbeitszeit

06.11.2015 | Arbeitsrecht

Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 10.09.2015 (Az.: C-266/14) klargestellt, dass die Fahrzeiten, die Arbeitnehmer ohne festen Arbeitsort zwischen ihrem Wohnort und dem Ort des ersten und letzten Arbeitseinsatzes eines Arbeitstages zurücklegen, als Arbeitszeiten im Sinne der Arbeitszeitrichtlinie anzusehen sind.

Die Entscheidung

Die Gesellschaften Tyco Integrated Security und Tyco Integrated Fire & Security Corporation Servicios (nachfolgend. „Tyco“) sind in den meisten Provinzen Spaniens auf dem Gebiet der Installation und Wartung von Sicherheitssystemen tätig. Die angestellten Techniker installieren und warten Sicherheitsvorrichtungen in den ihnen zugewiesenen Gebieten direkt vor Ort beim Kunden. Im Jahr 2011 schloss Tyco alle Regionalbüros und wies alle Arbeitnehmer dem Zentralbüro in Madrid zu. Den Technikern wurde ab diesem Zeitpunkt ein Firmenfahrzeug zugewiesen, mit dem sie täglich von ihrem Wohnort zu den einzelnen Standorten fahren, an denen Installationen oder Wartungen vorzunehmen sind. Den Einsatzplan für die verschiedenen Standorte mit Uhrzeiten und Termine für den Folgetag können die Techniker über ihre Mobiltelefone abrufen. Tyco berechnet die tägliche Arbeitszeit, indem sie auf die Zeiten zwischen der Ankunft des Technikers am Standort des ersten Kunden des Tages und seiner Abreise vom Standort des letzten Kunden abstellt. Die Fahrzeiten Wohnort-Kunden werden nicht als Arbeitszeit, sondern als Ruhezeit angerechnet.

Nach Ansicht des EuGH ist die Fahrzeit, die Arbeitnehmer ohne festen oder gewöhnlichen Arbeitsort für die tägliche Fahrt zwischen ersten und letztem Kunden und ihrem Wohnort aufwenden, als Arbeitszeit im Sinne der Arbeitszeitrichtlinie zu werten. Bei diesen Arbeitnehmern sei davon auszugehen, dass diese während ihrer gesamten Fahrzeit ihre Tätigkeit ausüben bzw. ihre Aufgaben wahrnehmen. Die Fahrten seien in diesem Fall das notwendige Mittel, um an den vom Arbeitgeber vorgegeben Standorten die technischen Leistungen zu erbringen. Nur so kann vermieden werden, dass der Begriff der Arbeitszeit verfälscht wird und das Ziel der Arbeitszeitrichtlinie, der Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer beeinträchtigt wird. Anderenfalls könnte der Arbeitgeber geltend machen, dass nur die für die Tätigkeit der Installation und Wartung der Sicherheitssysteme aufgewandte Zeit unter den Begriff „Arbeitszeit“ falle. Ferner stellt der EuGH klar, dass die Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auch während der Fahrten zur Verfügung stehen. Die Arbeitnehmer hätten während der Fahrten nicht die Möglichkeit frei über ihre Zeit zu verfügen und ihren eigenen Interessen nachzugehen. Die Arbeitnehmer arbeiten damit auch während der Fahrten, da diese untrennbar zum Wesen eines Arbeitnehmers ohne festen oder gewöhnlichen Arbeitsort gehören.

Fazit

Der EuGH hat mit seiner Entscheidung klargestellt, dass Arbeitnehmer ohne festen oder gewöhnlichen Arbeitsort auch während der Fahrten zu einem Kunden arbeiten, da sie auch während dieser Zeit dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen. Zudem seien die Fahrten notwendiges Mittel zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung. Damit haben Arbeitgeber Fahrzeiten bei der Berechnung der Ruhezeiten außer Acht zu lassen. Sofern man von einem einheitlichen Begriff „Arbeitszeit“ ausgeht, hat diese Auslegung zudem zur Konsequenz, dass diese Zeiten entsprechend zu vergüten sind.