20.10.2015 | Vergaberecht
Das OLG Schleswig hat in seinem Beschluss vom 28.08.2015 (Az. 1 Verg 1/15) (nochmals) bestätigt, dass ein Mitbewerber eine Kündigung oder anderweitige Beendigung eines zwischen einem Unternehmen und einem öffentlichen Auftraggeber vergaberechtswidrig zustande gekommenen Vertrages nicht beanspruchen könne, wenn die in § 101b Abs. 2 S. 1 GWB genannte Frist von 6 Monaten abgelaufen ist. Nach § 101b Abs. 2 S. 1 GWB muss die Unwirksamkeit von Verträgen, die entweder unter Verstoß gegen die in § 101a GWB genannten Voraussetzungen oder im Wege einer de facto-Vergabe zustande gekommen sind, spätestens sechs Monate nach Vertragsschluss geltend gemacht werden. Das Gericht stellt klar, dass allein der Umstand, dass ein ohne Vergabeverfahren zustande gekommener Vertrag vom öffentlichen Auftraggeber weiter durchgeführt werde, keinen Anspruch des Bieters darauf begründe, dass der öffentliche Auftraggeber den Vertrag beendet. Das gelte auch dann, wenn dadurch ein (objektiv) vergaberechtswidriger Zustand aufrechterhalten werde.
Das Gericht weist allerdings auf die noch unbeantwortete Frage hin, ob ein öffentlicher Auftraggeber gegenüber der Europäischen Union verpflichtet sein kann, einen unter Verstoß gegen §101b GWB zustande gekommenen Vertrag zu kündigen. Das Gericht verweist auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 30.04.2009 (Az. VII-50/08). Dieses hatte entschieden, dass, einerseits nach §114 Abs. 2 Satz 1 GWB ein unter Verstoß gegen das Vergaberecht zustande gekommen Vertrag vergaberechtlich als wirksam anzusehen ist und sich ein übergangener Bieter somit nicht auf das vergaberechtswidrige Zustandekommen des Vertrages mit dem Ziel der Aufhebung/Beendigung des Vertrages berufen könne, andererseits nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof die primärrechtliche Verpflichtung des Mitgliedstaates gegenüber den Europäischen Gemeinschaften bestehe, die Folgen von Rechtsverstößen gegen Gemeinschaftsrecht zu beseitigen und somit eine Verpflichtung zur Aufhebung des Vertrages mithin allein primärrechtlich gegenüber der Europäischen Gemeinschaft bestehen könne. Wie diese primärrechtliche Verpflichtung zu erfüllen ist, ist aber nach wie vor ungeklärt.
Das OLG Schleswig stellt weiter klar, dass, selbst wenn ein Kündigungsanspruch bestehen würde, gegenwärtig genauso ungeklärt sei, ob für einen durchsetzbaren Kündigungsanspruch zu fordern wäre, dass die Vergaberechtswidrigkeit des jeweiligen Vertrages zuvor durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs festgestellt werden müsse.