Anteilige Sonderzahlungen zählen zum Mindestlohn

Weihnachts- und Urlaubsgeld können auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden, wenn sie monatlich anteilig ausgezahlt werden. Diese anteiligen Zahlungen haben einen unmittelbaren Bezug zur Arbeitsleistung und damit auch Entgeltcharakter.

Anteilige Sonderzahlungen zählen zum Mindestlohn
Anteilige Sonderzahlungen zählen zum Mindestlohn

01.10.2015 | Arbeitsrecht

Das Arbeitsgericht Herne hat in seinem Urteil vom 07.07.2015 (Az.: 3 Ca 684/15) die Anrechenbarkeit von Weihnachtsgratifikationen und Urlaubsgeld auf den gesetzlichen Mindestlohn bejaht, sofern diese monatlichen anteilig an die Arbeitnehmer ausgezahlt werden und die monatliche Auszahlung dabei unwiderruflich erfolgt.

Die Entscheidung


Die Klägerin ist seit dem 15.08.2006 bei der Beklagten als Servicekraft im Restaurant beschäftigt. Ihre regelmäßige Arbeitszeit beträgt 84,5 Stunden pro Monat. Die Klägerin erhielt zunächst eine Weihnachtsgratifikation sowie Urlaubsgeld. Dabei sollte es sich nach den arbeitsvertraglichen Regelungen um jederzeit widerrufliche, freiwillige Leistungen handeln. Zudem war die Weihnachtsgratifikation mit einer Stichtagsregelung verbunden. Zum 13.12.2010 wurden die bisherigen Regelungen zur Weihnachtsgratifikation und zum Urlaubsgeld aufgehoben. Stattdessen sollten die jährlichen Sonderzahlungen anteilig zu je 1/12 monatlich gezahlt werden. Nach dem Willen der Beklagten sollte die Klägerin so eine höhere, monatliche Grundvergütung erhalten. Die Klägerin ist der Ansicht, das anteilig, monatlich gezahlte Urlaubs- und Weihnachtsgeld könne auf den gesetzlichen Mindestlohnanspruch nicht angerechnet werden.

Das Arbeitsgericht Herne wies die Klage weitgehend ab. Das Arbeitsgericht Herne war der Auffassung, dass das monatlich gezahlte Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf den gesetzlichen Mindestlohn anzurechnen sei. Das Gericht stützt diese Auffassung u. a. auf die Gesetzesbegründung zum Mindestlohngesetz (MiLoG). Daraus gehe hervor, dass Leistungen wie Weihnachtsgeld oder zusätzliches Urlaubsgeld als Bestandteil des Mindestlohns zu werten sind, wenn diese Zahlungen monatliche erfolgen und unwiderruflich sind. Dies stehe auch im Einklang zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Entsenderichtlinie. Danach können Sonderzahlungen dann als Bestandteil des Mindestlohns gewertet werden, wenn der Arbeitnehmer den anteiligen Betrag jeweils zu dem für den Mindestlohn maßgeblichen Fälligkeitszeitpunkt tatsächlich und unwiderruflich erhält. Die anteiligen Zahlungen auf das Weihnachts- und Urlaubsgeld hätten auch Entgeltcharakter und damit einen unmittelbaren Bezug zur Arbeitsleistung der Klägerin. Der Anrechnung stehe zudem nicht entgegen, dass die anteiligen Sonderzahlungen in der Lohnabrechnung gesondert ausgewiesen werden.

Praxishinweis:


Aus den ersten Entscheidungen der Arbeitsgerichte hinsichtlich der Anrechenbarkeit von Entgeltbestandteilen auf den gesetzlichen Mindestlohn lässt sich eine erste Tendenz der Arbeitsgerichte zu einer eher großzügigeren Anrechnung von Entgeltbestandteilen erkennen. So schließt sich das Arbeitsgericht Herne in seinem Urteil vom 07.07.2015 der herrschenden Ansicht in der Literatur an, Sonderzahlungen dann auf den Mindestlohn anzurechnen, wenn die Auszahlung anteilig zum jeweiligen Fälligkeitsdatum des Mindestlohns erfolgt. Arbeitgeber sollten jährliche Sonderzahlungen daher so umstellen, dass diese monatlich anteilig mit dem Bruttomonatsgehalt ausgezahlt werden. Wird die Sonderleistung hingegen als Einmalbetrag ausgezahlt, wird eine Anrechenbarkeit auf den gesetzlichen Mindestlohn ausscheiden.