24.09.2015 | Vergaberecht
Die Vergabekammer des Bundes hat in ihrem Beschluss vom 22.07.2015 (Az.: VK 2-61/15) festgestellt, dass der Ausschluss eines Angebotes wegen eines fehlenden Nachweises nur dann in Betracht kommt, wenn der entsprechende Nachweis wirksam gefordert wurde und eindeutig war. Öffentliche Auftraggeber sind daher gehalten, die Ausschreibungsbedingungen so klar zu formulieren, dass objektive, fachkundige Bieter keine Verständnisschwierigkeiten haben. Etwaige Unklarheiten gehen zu Lasten der öffentlichen Auftraggeber.
Die VK Bund stellt in dem Beschluss klar, dass Vergabeunterlagen entsprechend den für Willenserklärungen geltenden Regeln (§§ 133, 157 BGB analog) auszulegen sind und bezieht sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 10.06.2008, X ZR 78/08 m. w. N.). Bei der Auslegung der Vergabeunterlagen dürfen dabei nur solche Umstände berücksichtigt werden, die bei Zugang der Erklärung dem Empfänger bekannt oder für ihn erkennbar waren. Auf seinen Horizont und seine Verständnismöglichkeiten ist im Rahmen der Auslegung abzustellen. Ausgangspunkt jeder Auslegung ist dabei grundsätzlich der Wortlaut und der Zweck der Erklärung. Sind weder der Wortlaut noch der Zweck eindeutig, ist für eine Auslegung kein Raum. In diesem Fall können etwaige Unklarheiten in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen nicht zu Lasten der Bieter verwendet werden.
Den Ausführungen der Vergabekammer ist zuzustimmen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass bei nicht ordnungsgemäß beschriebenen bzw. in den Ausschreibungsbedingungen nicht eindeutig geforderten Nachweisen bereits kein Nachforderungsrecht des öffentlichen Auftraggebers (z.B. nach § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 VOB/A) besteht, weil in diesem Fall keine „fehlenden“ Erklärungen oder „fehlenden“ Nachweise vorliegen können.